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„European“ statt English

■ betr.: „Europas Atem sind seine Sprachen“, taz vom 4. 6. 96

Wie kann Hartmut Kugler behaupten, es bestehe „kein Nationalismusverdacht“, wenn der berühmte französische Linguist Claude Hagège eine stärkere Rolle der deutschen Sprache in Europa befürwortet? Hagège hat 1994 das berüchtigte Toubon-Gesetz unterstützt, das die Verwendung von Fremdwörtern unter Strafe stellt und damit grundlegende liberale Prinzipien einem extremen Sprachpurismus, wenn nicht -nationalismus, geopfert. In Frankreich ist die Auffassung weit verbreitet, daß der Standort Frankreich von der Bedeutung der französischen Sprache abhängt. Weil aber Forderungen nach einer französischen Sprachhegemonie in Europa aussichtslos sind, muß Hagège Mehrsprachigkeit, und damit auch die Stützung des Deutschen gegenüber dem Englischen, fordern.

Weder Hagège noch Kugler scheinen genug Realismus zu besitzen, um zu verstehen, daß die weitere Ausbreitung des Englischen, ob in Europa oder anderswo in der Welt, nicht mehr gebremst werden kann. Oft zu hörende Utopien von einer gesamteuropäischen Mehrsprachigkeit sind illusorisch – was ist, wenn sich ein deutschsprechender Italiener und ein französischsprechender Däne treffen? Natürlich radebrechen sie trotzdem Englisch miteinander.

Doch auch das Unbehagen gegenüber dem alles beherrschenden Englisch ist verständlich. Mein Alternativvorschlag ist die konsequente Entnationalisierung der Sprache: Benennen wir unsere internationale Sprache einfach um, von „English“ zu „European“ oder „Global“, und entziehen wir damit allen Nationalisten den Boden. Martin Haspelmath, Bamberg

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