Europäische Finanzmarkt-Regulierung: Mehr Ämter, mehr Kontrolle
Die Finanzaufsicht soll europäischer werden, meint die EU-Kommission. So einige Entscheidungsrechte müssten dazu nach Brüssel verlagert werden.
Sichtlich stolz präsentierte Währungskommissar Joaquín Almunia am Mittwoch in Brüssel die Vorschläge der EU-Kommission für eine bessere europäische Finanzkontrolle. Der geplante Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) sei ein "Durchbruch für die Finanzaufsicht in der Union". Und sein sonst recht wortkarger Kollege Charlie McCreevy, zuständig für den Binnenmarkt, ergänzte: "Wir gießen die Expertenempfehlungen in Gesetzesform. Für Brüsseler Verhältnisse geschieht das in Lichtgeschwindigkeit."
Zusätzlich zum ESRB will die EU-Kommission ein neues Dach aus transnationalen Aufsichtsbehörden schaffen, die in Zukunft Risiken rascher erkennen und Handlungsempfehlungen für Banken, Börsen, Versicherungen und Ratingagenturen ausarbeiten sollen.
Da die meisten dieser Unternehmen längst über die Grenzen eines einzelnen Mitgliedslands hinausgewachsen sind und europäisch oder international operieren, genügt nationale Kontrolle nicht mehr, argumentiert die Kommission. Außerdem lehre die aktuelle Krise, dass nur einheitliche Regeln und einheitliches Handeln dafür sorgen könnten, dass sich derartige Crashs nicht wiederholen.
Die drei geplanten neuen Aufsichtsbehörden sollen aus beratenden Gremien für Banken, Wertpapierhandel und Altersversorgung hervorgehen, die es bereits gibt. 2011 sollen sie ihre Arbeit aufnehmen und dafür doppelt so viel Personal wie bisher erhalten - 40 sollen es dann sein. Entstehen sollen eine Europäische Bankaufsichtsbehörde, eine Europäische Aufsichtsbehörde für Versicherungswesen und betriebliche Altersversorgung und eine Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde.
In Zusammenarbeit mit den entsprechenden nationalen Behörden sollen sie einheitliche Standards und Regeln für die Risikobewertung von Börsengeschäften oder die Eigenkapitalvorschriften von Banken ausarbeiten. Wird ein Vorschlag von der qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützt, macht die EU-Kommission eine Verordnung daraus, also ein direkt anwendbares Gesetz. Um Empfehlungen an bestimmte Kreditinstitute, Börsen oder Versicherungen auszusprechen, reicht die einfache Mehrheit. Bei Streitfällen haben die neuen EU-Agenturen das letzte Wort.
Der neue Ausschuss für Systemrisiken soll Empfehlungen und Warnungen an einzelne Mitgliedstaaten aussprechen können. Ihm gehören neben dem EZB-Präsidenten und seinem Stellvertreter die nationalen Zentralbankchefs, Vertreter der drei neuen Mikrobehörden und der nationalen Aufsichtsbehörden an. Almunia setzt auf den psychologischen Effekt, den die öffentliche Schelte durch ein derartiges Gremium entwickeln kann. Die Erfahrung mit dem Stabilitätspakt zeigt jedoch, dass Mitgliedstaaten sich oft gegenseitig unterstützen, wenn es darum geht, die öffentliche Blamage zu verhindern. Diese "Solidarität der schwarzen Schafe" könnte auch den neuen ESRB lähmen.
"Wir sind so weit gegangen, wie es die Europäischen Verträge zulassen", kommentierte ein Experte die Vorschläge. Natürlich wäre es wirkungsvoller, wenn die Kommission Vertragsverletzungsverfahren eröffnen oder Sanktionen verhängen könnte. Doch sogar das nun vorgelegte Paket könnte im Gesetzgebungsprozess zerrieben werden. Mehrere Mitgliedsländer, darunter Großbritannien und Deutschland, haben bereits Bedenken angemeldet. Die neuen Agenturen dürften keinesfalls in die Budgethoheit eines Mitgliedslands eingreifen.
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