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■ Wahlfarce in Albanien – und der Westen schaut zuEuropa hat wieder eine Diktatur

Was bei den Wahlen in Albanien geschehen ist, darf mit dem schlimmen Erbe aus 50 Jahren besonders brutalem Stalinismus nicht mehr entschuldigt werden. Zu den zahlreichen Gesetzesbrüchen, Polizeiübergriffen, willkürlichen Dekreten, die sich das Regime unter Präsident Sali Berisha zur Zeit des Wahlkampfs hat zuschulden kommen lassen, ist am Wahltag offene Gewalt und, nach allem Anschein, kaum verdeckte Wahlfälschung getreten. Die Unterdrückung richtet sich längst nicht mehr allein gegen die Exkommunisten; die Parteien des Zentrums, Sozialdemokraten und Demokratische Allianz sind genauso betroffen. Wer opponiert, ist seines Lebens nicht mehr sicher. Europa hat wieder eine Diktatur, die erste nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Demokraten in Albanien haben in den letzten Jahren mit zunehmender Verstörung feststellen müssen, daß der Westen sich für die Bürger- und Menschenrechtsverletzungen bei ihnen kaum interessierte. Dabei war das kleine Land keineswegs vergessen. Vielmehr drängt sich der schlimme Verdacht auf, daß sowohl die USA als auch die europäischen Mächte ein Auge, manchmal auch beide Augen zudrückten.

Die rund 3.000 internationalen Wahlbeobachter im Land haben jedenfalls extrem zurückhaltende Berichte abgegeben – gemessen daran, daß physische und völlig unverdeckte Behinderung von Oppositionspolitikern buchstäblich an der Tagesordnung war. Noch kurz vor der Wahlfarce haben europäische Politiker dem neuen Diktator Berisha öffentlich die Daumen gedrückt und die Berichte von Menschenrechtsorganisationen ignoriert. Hat Berisha dies als Aufforderung verstanden? Auch die Medien spielen das Versteckspiel mit, wenn auch nicht mit Absicht: Alle internationalen Nachrichtenagenturen sind in Tirana nicht mit ausländischen Korrespondenten, sondern mit freiberuflich arbeitenden lokalen Journalisten vertreten, die einfach Angst haben.

Den Europäern und den Amerikanern war die Aussicht, daß die Exkommunisten wieder an die Macht kommen könnten, höchst unsympathisch. Dafür muß man Verständnis haben, denn die Partei trägt ein böses Erbe und hat sich mitnichten mit der schrecklichen Vergangenheit auseinandergesetzt. Aber so geht es nun einmal in der Demokratie: Die Mehrheit entscheidet, und daß die Sozialisten das Parlament abschaffen und die Einparteienherrschaft hätten wieder einführen wollen, haben nicht einmal Berishas Leute behauptet. Dafür tun sie es nun selber. Norbert Mappes-Niedeck

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