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Eugene, HippietownProtest und Palaver

■ Bäume lieben, Autos schützen: Warum EarthFirst!-Aktivist „Holy Mike“ heilig ist

Wir trafen uns vor dem verwitterten Westernbahnhof am Rande der Stadt. Vier Aktivisten der Eugener EarthFirst! Maple Leaf, ein weißblonder Junge mit grüner Baseballmütze und Hornbrille, führt streng Regie: Wenn sich alle kurz vorstellen wollen? Humus, Ragoon, Paul und ich sagen unsere Namen. Gut. Ankündigungen? Keine. Bemerkungen? Keine? Doch: Der hagere Ragoon will wissen, wann das beschissene Treffen zu Ende ist. Maple Leaf wird ärgerlich. Doch bevor es zu einem Tumult kommen kann, ruft Humus: Hej Leute, das muß Mike sein!

Ganz langsam kommt er die Straße heraufgeschlurft: Mike McCarthy, der Star der Bewegung. Er kommt direkt aus dem Krankenhaus. Die Arme geschient, das Gesicht von Schürfwunden entstellt, schleppt er sich humpelnd in Richtung unserer kleinen Gruppe. Einen Monat ist es her, daß Mike McCarthy aus dem Baum gefallen ist. Er protestierte einsam gegen die Abholzung alter Bäume im Stadtzentrum, die einem Nike- Laden weichen sollen. „Nike – Just cut it!“ stand auf dem Transparent, das er im Baumwipfel entfalten wollte. Doch ein Sicherheitsbeamter hatte das Sicherungsseil während seines Aufstiegs an einem Zaun festgeknotet, so daß er nicht weiterklettern konnte. Er mußte das Seil kappen und die Kletterei ungesichert fortsetzen. Bald schon verließ ihn die Kraft, und McCarthy stürzte. Er erlitt nicht nur Knochenbrüche. McCarthy stottert seitdem. Seine geschundene Gestalt verleiht ihm, gemeinsam mit dem mühsamen Sprechen, eine seltsame Entrücktheit, mit der er sanft auf Fragen wie „Na, wieviel wirst du aus den Nike-Säcken jetzt an Schmerzensgeld so raushauen?“ einfach nur mit einem leisen „Gar nichts, gar nichts, das interessiert mich nicht“ antwortet.

Der Eindruck einer feinen Heiligkeit verstärkt sich, wenn man ihn auf die Unruhen anspricht, die kurz nach seinem Baumsturz in Eugene ausbrachen, bei denen Autos umgeworfen, Schaufensterscheiben eingeschlagen und immer wieder sein Name märtyrermäßig ausgerufen wurde. „Schlimm“, sagt er nur, „sehr schlimm.“ Er ist gegen jede Gewalt, da solle lieber der Megastore gebaut werden, wenn die Leute dafür aufhörten, in seinem Namen Sachen zu zerstören, verflixt noch mal. Die örtliche EarthFirst!- Gruppe staunt da sehr.

Man rückt ein bißchen ab von „Holy Mike“, und Maple Leaf kommt zum Tagesordnungspunkt drei: Die Selbstmorddrohungen der kaskadischen Baumverteidiger oben in den alten Wäldern von Fall Creek und wie EarthFirst! darauf reagieren soll. Blue Moon Thunder

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