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■ Etikettenschwindel bei Modelleisenbahnbäumchen?Rentierflechtenhandel

Regina Schmidt, Geschäftsführerin der Heki Kittler GmbH in Rastatt, lüftet ein Geheimnis, nämlich: warum das Islandmoos eigentlich Islandmoos heißt, obwohl man das „Island“ natürlich auch weglassen könnte.

taz: Ich recherchiere über Naturrohstoffe und wollte etwas zum Islandmoos fragen, das Sie vertreiben... Ist das möglich?

Schmidt: Das kommt darauf an, was Sie wissen wollen.

Und zwar wollte ich wissen, woher sie Islandmoos beziehen.

Das geben wir nicht raus. Unsere Bezugsquellen.

Ach so, geben Sie nicht raus.

Nein. Grundsätzlich nicht!

Gut. Ist es eine gezüchtete oder eine wildwachsende Pflanze?

Das ist eigentlich... Also, ja gut, ich mein', ich weiß' nicht, ob die das züchten. Ob unser Hersteller das züchtet, das entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist also, wie gesagt, ein Naturprodukt. Aber wie der das jetzt macht, das weiß ich nicht.

Kommt es aus Deutschland oder aus Island?

(lacht) ...aus Deutschland kommt es nicht. Aber wo es herkommt – also, dann würde ich Ihnen ja meinen Lieferanten schon preisgeben.

Eßbar ist es nicht?

Auf keinen Fall. Also, wenn es mal gegessen wird, passiert natürlich nichts. Also, äh, es ist Futter, die Tiere fressen das normalerweise...

...also dann ist das eher Rentierflechte, nehme ich wohl an: Cladinia stellaris.

Genau das ist es!

Besteht da nicht die Möglichkeit, daß das jemand verwechselt? Also, wenn jemand auf der Packung „Islandmoos“ liest, könnte er das ja mit der Droge „Isländisch Moos“ verwechseln... Kennen Sie Isländisch Moos, das schleimlösende Mittel gegen Husten und Bronchitis? Centraria islandica?

Also gut. Unseres ist ja als Bastelmaterial ausgewiesen. Als solches kann man das mit dem anderen schier nicht verwechseln.

Na ja. Wenn es aber so herumliegt. Ich habe hier in der Wohnung eine Packung Ihres Produktes...

Das ist ja auch gefärbt und präpariert.

Stimmt. Da steht „Landschaftsgestaltung“ drauf...

Sehr richtig.

Das wird also eingefärbt.

Wir machen das selbst, ja.

Welche Farben gibt's da so insgesamt?

Hellgrün, Dunkelgrün, Gelb, Rot und dann eben dieses Naturfarben.

Und Islandmoos wird dann hauptsächlich von den Modelleisenbahnern benutzt, nicht wahr?

Wir stellen Modelleisenbahnzubehör her.

Und das Produkt trocknet, wenn man es also in die Landschaft als Bäumchen montiert? Es ist ja ziemlich weich in der geschlossenen Packung.

Natürlich. Ist ja präpariert, das Ganze.

Es wird also hart?

Das kommt auf die Luftfeuchtigkeit an. Also, wenn wir natürlich eine sehr trockene Luft haben, wird das mit der Zeit hart. Das ist ja logisch.

Und es ist also...

...gefärbt und präpariert.

Wie lange ist das Produkt eigentlich im Einsatz für Modelleisenbahner? Wissen Sie das?

Also, mit Sicherheit schon fast seit 40 Jahren.

Aha. So lange schon. Gut. Aus Island kommt es jedenfalls nicht? Das können Sie mir jedenfalls bestätigen?

Nein. Da dürfen Sie mich aber auch nicht fragen, warum es diesen Namen gekriegt hat. Das hat diesen Namen schon seit zig Jahren.

Eigentlich ist das nicht richtig. Es müßte heißen „Rentierflechte“. Genaugenommen.

Äh... mmmh, tja... Dadurch, daß es ja gefärbt und präpariert ist, könnte man ja eigentlich im Prinzip das „Island“ weglassen und nennt das „Moos“. Und, das heißt überall „Moos“. Nicht „Rentierflechte“. Egal bei welchem Anbieter Sie das kaufen. Das heißt dann immer „Moos“.

Und ist dasselbe Material wie auf den Friedhöfen, diese Kränze...

Sehr richtig. Da werden Sie auch nie irgendwo einen finden, wo dransteht „Kranz aus Rentierflechte“ oder?

Nein, das stimmt, das hab' ich noch nie gesehen.

Sehen Sie! Die Leute können sich darunter nichts vorstellen.

Ja, stimmt. Gut ... dann ... Wissen Sie eigentlich, woraus Flechten bestehen?

Nein, darum habe ich mich eigentlich nicht gekümmert. Biologie und Botanik – das war nie meine Stärke.

Die Länder, aus denen Sie das Produkt beziehen, sind wahrscheinlich Norwegen oder Schweden...

...das muß importiert werden. Das Produkt wächst nicht in Deutschland. Die Länder, wo es wächst, die haben auch Färbereien. Daher weiß ich, daß sie das nicht unter dem Namen „Rentierflechte“ verkaufen. Nein, das heißt dort einfach „Moos“. Weil – wie gesagt – mit „Rentierflechte“ kann niemand etwas anfangen.

Stimmt. Außer ich.

Ja. Und deswegen... Dieses Wort „Moos“ ist eigentlich ein alter Begriff. Und da weiß jeder gleich, was damit gemeint ist. Ja, da gibt's dann auch keine Irrtümer.

Aber warum haben Sie dann Ihr Produkt „Islandmoos“ genannt?

Das dürfen Sie mich nicht fragen. Das weiß ich nicht. Das ist schon seit zig Jahren so. Seit zwanzig, fünfundzwanzig Jahren. Und so lange bin ich noch nicht in der Firma. Und ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß ich auch nicht weiter nachgefragt habe. Vielleicht kam das früher mal von dort?

Aus Island? Glaub' ich nicht. Ich gehe mal davon aus, daß es den Namen hat, weil es nur wenige Moosarten gibt, die einen deutschen Namen tragen. Und „Isländisch Moos“, das Hustenmittel, der Bronchialtee gehört zu diesen. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Verwechslung. Hört sich auch besser an: „Islandmoos“, die Pflanze des Totenangedenkens und der Eisenbahnmodellbauer. Besser als „Rentierflechte“ jedenfalls...

Wie gesagt, da muß ich leider passen. Das weiß ich nicht. Und ob ich da schlau werde, weiß ich auch nicht. Weil der Besitzer der Firma, der Gründer, der lebt schon nicht mehr, und deswegen weiß ich nicht, ob die nachfolgende Generation, ob die das so übernommen hat... Also, die hat das so übernommen. Warum und wieso, kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Aber ich versuche mal dahinterzukommen...

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Wolfgang Müller

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