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■ Ethno-LabelsAround the world in a CD!

Ruhe nach dem Sturm. Die kolonialistisch-musikalische Eroberung der letzten Musik-Ressourcen erscheint nun als eine Phase des Übergangs. Die Major-Firmen sind abgezogen; der Markt hat abgeworfen, was zu holen war. Nun regiert der etablierte Musikmarkt.

Im Laufe der letzten Jahre fand daher zwangsläufig eine Spezialisierung statt. Längst haben sich einige kleine Musikverlage und Plattenlabels um eine einigermaßen überschaubare Differenzierung in ihrem Angebot an sogenannten „Weltmusik“-Titeln bemüht. Der Streit um die Ausbeutung musikalischer Ressourcen führte in die Sackgasse und war verlogen bis zur Schmerzgrenze. Verdient haben am Ende sowohl die „Ausbeuter“ als auch die „Ausgebeuteten“. Es blieben im wesentlichen zwei Buh- Männer in der Erinnerung: Paul Simon und Peter Gabriel. Der erste wird heute noch reputationsbelastend ausgebuht, weil er brasilianische Musiker nicht angemessen bezahlt habe. Mein Gott, welcher Musikproduzent tut das schon! Der zweite setzte sich mit dem Anspruch, eine wirkliche Welt repräsentiert wissen zu wollen, ein „Weltmusik“-Denkmal: Die Gründung des Labels „Real World“, der in Deutschland beim Musik-Riesen Virgin erscheint. Illustre Namen wie Nusrat Fateh Ali Khan, Sabri Bothers oder Toto la Momposina nehmen ihre neuesten Werke unter Mithilfe modernster Technologie in den hauseigenen „Real World“-Studios des Herrn Gabriel auf. So sieht die Ausbeutung nun mal aus!

Neben dem „Real World“-Label bringt die Plattenfirma Virgin weitere Titel mit ethnischer Musik unter dem Label „Earthworks“ heraus. Hier bekommt man vor allem Musik aus fast allen Teilen Afrikas geboten. Doch auch hier wird der sachkundige Musikkenner keine großen Entdeckungen machen können. Es finden sich vor allem Werke von Afrika-Größen wie Youssou N'Dour oder Thomas Mapfumo: Ultra-kommerzielle Namen in ihren Herkunftsländern, eben was den Verkauf ihrer Platten angeht!

„CMP Records“ bringt in ihrer „3000“-Serie Musik aus Asien als einen Schwerpunkt heraus. Liebhaber indischer Musik sollten sich mit dem reichhaltigen Angebot des Labels „Music today“ vertraut machen. Wer orientalische Musik liebt, und dabei nicht nur an „Bauchtanzmusik“ denkt und auch Koran-Rezitationen spannend findet, sollte sich bei „Helikon Musikverlag“ erkundigen.

Musik aus Latein- und Südamerika bietet „Tropical Music“. Mercedes Sosa bringt all ihre Werke in Deutschland bei diesem Label heraus. „Network Medien“ in Frankfurt versucht in ihrem Angebot alle Musikrichtungen in der Weltmusik zu berücksichtigen. Sie bringt in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk die „World Network“-Reihe heraus. Ein Blick in den Katalog lohnt sich.

Die Zeit der bombastischen Ethno-Hits ist endgültig vorbei. Jetzt geht es um eine ernsthafte, ernstgemeinte Auseinandersetzung mit Musik aus anderen Kulturen. Die oben erwähnten Labels bieten vielleicht den ersten Schritt dazu.Hakan Songur

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