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Ethnischer Sprengstoff in Pakistan

■ 46 Tote und über 100 Schwerverletzte nach Bombenanschlägen / Regierung Bhutto soll provoziert haben

Hyderabad (afp/dpa/taz) - Die Zahl der Menschen, die durch sechs Bombenexplosionen in der südpakistanischen Stadt Hyderabad am Sonntag getötet wurden, ist auf 46 gestiegen. Die Bombenanschläge belebten von neuem die Debatte, ob die südpakistanische Provinz Sindh - die einzige, in der die Volkspartei (PPP) der Ministerpräsidentin Benazir Bhutto noch über eine Mehrheit verfügt - unter Militärrecht gestellt werden soll. Über hundert Schwerverletzte mußten nach den Bombenanschlägen am Sonntag in Krankenhäuser eingeliefert werden. Dort sind noch Dutzende Opfer der jüngsten Zusammenstöße zwischen einheimischen Sindhis und aus Indien eingewanderten urdusprachigen Mohajiren in Behandlung. Weitere 50 Schwerverletzte mußten in Krankenhäuser 160 Kilometer südlich nach Karatschi gebracht werden.

Mindestens 31 Menschen starben bei den Explosionen in der Stadt am Sonntag, 15 weitere kamen ums Leben, als eine Bombe den Wagen eines Passagierzuges zerriß. Eine inoffizielle Ausgangssprerre wurde am Sonntag abend verhängt, und das Militär verstärkte seine Patrouillen. Militante Anhänger der separatistischen Jiye-Sindh-Organisation wurden für die sechs Anschläge in fünf belebten Stadtvierteln, in denen vorwiegend Mohajiren wohnen, verantwortlich gemacht. Die Jiye-Sindh-Organisation hatte den Sonntag zum Protesttag gegen die Verhaftung ihres Anführers Qadir Hagsi erklärt. Er soll eine Schlüsselrolle bei dem Massaker an etwa 300 Mohadjiren in Hyderabad im Jahr 1988 gespielt haben. Seine Festnahme hatte bereits im Mai ein neues Blutvergießen mit über 300 Toten in Hyderabad und der Hafenstadt Karatschi ausgelöst.

Indirekt beschuldigte Ministerpräsident Ishaq Khan die Regierung von Benazir Bhutto, für die ethnischen Unruhen mitverantwortlich zu sein: „Einige unverantwortliche Menschen, die jedoch in verantwortungsvollen Positionen sitzen, schüren die Gewalt durch provokative Äußerungen.“ Ein enger Berater der Ministerpräsidentin, Bildungsminister Ghulam Mustafa Shah, gab kürzlich zum Besten, daß die Mohijir-Siedler in Hyberabad, die 1947 aus Indien eingewandert sind, ausgesiedelt werden sollten und ihre „historische Festung in Schutt gelegt werden“ sollte. Bisher nahm der Minister diese Äußerung nicht zurück. Der Führer der „Mohajir-Quami-Bewegung“, Altaf Hussain, der sich zur Zeit in London aufhält, appellierte an Ishaq Khan, das „Massaker“ an Mohajiren in Sindh zu beenden. Die Anschläge von Sonntag seien ein Teil der „anti-mohajirischen Verschwörung“ der Regierung. Der Oppositionsführer und Chefminister der pakistanischen Provinz Punjab, Nawaz Sharif sagte, daß es „der Situation angemessen und ein dringenden Gebot der Stunde“ sei, die Armee mit den notwendigen Vollmachten auszustatten. Armeechef General Mirza Aslam Beg hatte dies bereits im Juni gefordert.

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