Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen:
Als Henrietta Lacks 1951 an Krebs starb, war sie 31 Jahre alt. Zuvor waren ihr im Rahmen ihrer Behandlung Tumorzellen entnommen worden, aus denen Forscher die erste unsterbliche menschliche Zellenlinie entwickelten, mit dem Ziel, daraus Erkenntnisse über das Wachstum von entarteten Zellen zu gewinnen. Nach der Spenderin wurde diese Zellkultur HeLa-Zellen genannt. Sie wurden für die Erforschung von Krebs, später Aids und sogar in der Kosmetikforschung verwendet. Inzwischen sind aus wissenschaftlichen Erkenntnissen nach Experimenten mit den Zellen über 11.000 Patente entwickelt worden, darunter der Polio-Impfstoff sowie Krebs- und Aidstherapien. Doch weder Henrietta Lacks noch ihre Familie waren über die Zellentnahme informiert worden. Henrietta Lacks war Afroamerikanerin und in einem der wenigen Krankenhäuser behandelt worden, die Anfang der 1950er Jahre überhaupt Afroamerikaner aufnahmen. Medizinische Versorgung wurde kostenlos gewährt, war aber an stillschweigende Teilnahme an wissenschaftlichen Studien geknüpft. Erst in den 1970er Jahren erfuhr die in Armut lebende Familie, dass mit den Zellen von Henrietta Lacks längst jährlich ein Umsatz von vielen Millionen Dollar erzielt wurde. Die Familie Lacks selbst konnte sich damals nicht einmal eine Krankenversicherung leisten. Im Ballhaus Ost nun hat der Choreograf Christoph Winkler, der (so kann man auf der Webseite des Ballhaus Ost lesen), selbst an Krebs erkrankt ist, die Geschichte der Zellen und ihrer Eigentümerin zur Grundlage seines neuen Tanzstücks „On HeLa – The Colour Of Cells“ gemacht. Eine Arbeit, die sich der Ankündigung zufolge mit Fragen der Ethik, Privilegien und Rassismus auseinandersetzt (Ballhaus Ost: „On HeLa – The Color Of Cells“, 12.–15. 12., jeweils 20 Uhr).
Rassismus macht sich auch an Essensfragen fest. Zum Beispiel an der Tatsache, dass mancher dem Glauben anhängt, wirklich deutsch könnte nur sein, wer das identitätsstiftende Fleisch des Hausschweins als unverzichtbares Grundnahrungsmittel anerkennt. Aus dieser Frage schlägt die Komödie „Extrawurst“ des Comedy-Duos Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob ihr Kapital. Im Tennisklub eines Provinzstädtchens soll für Vereinsfeiern ein neuer Grill angeschafft werden. Oder besser zwei? Denn das einzige türkische Mitglied des Clubs darf als gläubiger Muslim seine Grillwürstchen nicht von einem Rost essen, auf dem zuvor Schweinefleisch brutzelte. Guntbert Warns inszeniert die Geschichte nun mit großer Star-Besetzung im Renaissance Theater (Renaissance Theater: „Extrawurst“, Premiere 14. 12. 18 Uhr).
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