Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Das will man heutzutage eigentlich auch nicht mehr unbedingt: ein Mann sein. Und schon gar nicht ein alter weißer Mann. Denn auf diesem offensichtlichen Auslaufmodell wird gegenwärtig mächtig herumgehackt. Andererseits vergeht kaum ein Tag, an dem der alte weiße Mann im Weißen (sic!) Haus nicht irgendwelche Marken setzt, an denen die Welt sich dann pflichtschuldigst abarbeitet. Also, irgendwie schafft er das scheinbar immer noch, der alte weiße Mann, die Aufmerksamkeitsökonomie zu regulieren. Auf dem Feld des freien Theaters aber wurde ihm längst der Kampf angesagt. So geht in den Sophiensälen in dieser Woche das Duo Quast und Knoblich an den Start, um zur Feier seines zehnjährigen Bestehens noch einmal so richtig abzutauchen in die finstere Welt der Jäger und ihrer männerbündischen Abgründe. Grundlage ist der Stoff, aus dem Carl Maria von Weber 1821 die erste echte deutsche Oper komponierte: der Freischütz. Die Geschichte spielt kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und zum Cast gehören unter anderem Erbförster Kuno, seine Tochter und verschiedene Jägerbuschen. Dann ist da noch der „schwarze Jäger“, bei dem es sich um keinen Geringeren als den Teufel handelt. All diese „Bastionen männlicher Selbstinszenierung“ zu stürmen, haben sich Quast & Knoblich also in ihrem Abend „Casting Freischütz“ vorgenommen (Sophiensäle: „Casting Freischütz“, 28. 2., 1. & 2. 3., jeweils 20 Uhr).
Wir leben eben in „Zeiten des Aufruhrs“. Und das schon seit mehr als einem halben Jahrhundert. Ein Roman dieses Titels stammt aus dem Jahr 1961 und sein Autor heißt Richard Yates. Sein Gegenstand ist die Beobachtung, dass in Zeiten des Friedens der Krieg sich in die Beziehungen verlagert. Verhandelt wird das an der tragischen Geschichte von April und Frank Wheeler, deren Lebenssehnsucht in die Katastrophe führt. 2008 schon einmal von Sam Mendes mit Kate Winslet und Leonardo di Caprio verfilmt, bringt Jette Seckel den Stoff nun auf die Bühne des Deutschen Theaters, wo Maren Eggert und Alexander Khuon das Ehepaar Wheeler verkörpern. (DT: „Zeiten des Aufruhrs“, Premiere: 28. 2., 19. 30 Uhr).
„Posthumanismus“, das ist auch so ein Begriff, der durch die Debatten der Gegenwart geistert, ohne dass Durchschnittshumaniode wie ich so genau verstünden, was das eigentlich bedeuten soll. Aufschluss ist möglicherweise von dem Abend „The Nature of Us“ von Angela Schubot und Jared Gradinger im HAU zu erwarten, der als „posthumane Choreografie“ angekündigt ist. (HAU2: „The Nature of Us“, 28. 2., 1. & 2. 3., jeweils 19 Uhr, 3. 3., 17 Uhr).
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