Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen:
Schauplatz dieses deutschen Dramas ist unter anderem ein Wirtshaus in Amerika. Das ist ungewöhnlich für die Zeit, als das Stück entstand. Denn um das Jahr 1775 spielten Theaterstücke eher in mythischen Gefilden, an Königshöfen oder in deutschen Bürgerhäusern. Die Rede ist von Friedrich Maximilian Klingers Drama „Sturm und Drang“, dessen Titel einer Epoche seinen Namen gegeben hat: den zwanzig wilden Jahren von 1765 bis 1785, als im Zuge der Aufklärung überall Freiheit und das Zerreißen der Ketten der alten Ordnung gefordert wurde. Eine wichtige Rolle hat damals der amerikanische Unabhängigkeitskrieg gespielt, in dem die britische Kolonie Amerika gegen seine Kolonialherren aufstand und schließlich die demokratischen Vereinigten Staaten von Amerika gegründet wurden. Im amerikanischen Wirtshaus, dem Schauplatz, treffen vor dem Hintergrund des Unabhängigkeitskriegs verschiedene Menschen aufeinander, alle von den Energien des Epochenwechsels angetrieben und trotzdem irgendwie richtungslos: eine Familien- und Verwechslungskomödie mit lauter Menschen, die stürmen und drängen, aber nicht so genau wissen, wohin. Im Theater an der Parkaue inszeniert Kay Wuschek die alte und immer noch tolle Geschichte, die einige Parallelen zu unserer Zeit aufzuweisen hat (Theater an der Parkaue: „Sturm und Drang, Premiere 24. 5., 19 Uhr).
Ein anderer Begriff, der gerade kursiert, ist „toxische Männlichkeit“. Geprägt wurde er von dem britischen Journalisten Jack Urwin, der damit (in seinem Buch „Boys don’t cry“) ein Krisensymptom des Mannseins beschrieb. Wichtiges Merkmal: eine blindwütige wie mörderische Risikobereitschaft. Auf der Basis des berühmten Romans „Moby Dick“, der in einer reinen Männerwelt unter Extrembedingungen spielt, geht die neue Großproduktion des Theaters Ramba Zamba toxischen Konzepten von Mannsein und Männlichkeit nach. Das Theater, in dem Schaupieler*innen mit und ohne Behinderung gemeinsam auf der Bühne stehen, arbeitet diesmal auch mit den Puppenspielern Das Helmi und dem Meister des chorischen Sprechens Bernd Freytag zusammen. (Theater Ramba Zamba: „Moby Dick“, Premiere 26. 5., 19.30 Uhr).
Am Maxim Gorki Theater inszeniert Nurkan Erpulat eine Neuauflage seines berühmten bittersüßen Schauspiels mit Liedern und Musik, „Lö Grand Bal Alemania“, mit dem er vor acht Jahren noch im Ballhaus Naunynstraße Furore machte. Damals schien die Geschichte der türkischen Gastarbeiter in Doyçland fast vor einem Happy End zu stehen. Und nun? (Maxim Gorki Theater: „Lö Grand Bal Alemania“, Premiere 25. 5., 19.30 Uhr)
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