: Eskalation in Indien
Neu Delhi (afp) — Die indische Regierung sitzt auf einem Pulverfaß. Der sich zuspitzende Streit um die heilige Stätte von Ayodhya, die sowohl Moslems als auch Hindus für sich beanspruchen, bringt die Koalition von Vishwanath Pratap Singh in Gefahr. Die radikal-hinduistische Bharatiya-Janata-Partei (BJP) erklärte am Mittwoch, sie sei „gezwungen, der Regierung ihre Unterstützung zu entziehen“, falls sie die Hindus daran hindere, am 30.10. mit dem Bau eines Tempels in Ayodhya zu beginnen. Ohne die 86 Parlamentssitze der BJP aber würde das Kabinett Singhs regierungsunfähig. Im Gegensatz zur BJP versucht die indische Führung, die Interessen der Moslems zu wahren. Sie versprach, den Bau des Tempels und den gleichzeitigen Abriß der Moschee „mit allen Mitteln“ zu verhindern. Ein Regierungssprecher betonte, nichts dürfe „unternommmen werden, was die Gefühle der Moslems verletzen könnte“. Ihr Aufruf zum Dialog verhallte bisher ungehört. Die Gerichte beschäftigen sich bereits seit 1986 mit dem Streit um den im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh gelegenen heiligen Ort, der für die Hindus die Geburtsstätte des Gottes Rama ist. Die Moslems, die sich mit rund 100 Mio von insgesamt 850 Mio Einwohnern in Indien in der Minderheit befinden, bestreiten den Anspruch der Hindus auf Ayodhya und wehren sich gegen den Bau des Tempels. Zum Eklat könnte es kommen, wenn sich der Vorsitzende der BJP, Advani, Ende dieses Monats dem Ziel seiner „Prozession für den Glauben“, dem rund 600 Kilometer östlich von Neu Delhi gelegenen Ayodhya, nähert. Auch für den Fall, daß die Regierung diesem „heiligen Feldzug“ Einhalt gebietet, kündigte die BJP an, sie werde der Regierung ihre Unterstützung entziehen.
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