„Es wurde keine gezwungen“

Die rumänische Ex-Turnerin und dreifache Olympiasiegerin von 1984 Ecaterina Szabo wurde wieder jünger: Reglementierung und Altersmanipulation im Spitzensport unter dem Ceausescu-Regime  ■  Von Thomas Schreyer

Manipulationen im rumänischen Sport blieb in der „Epoche Ceausescu“ nicht nur den Fußballern vorbehalten. Gefälscht und getrickst wurde auch bei den Turnerinnen, wie jetzt Ecaterina Szabo eingesteht.

Szabo, bei den Sommerspielen 1984 dreifache Olympiasiegerin und bis zu ihrem Abgang 1987, als sie mit ihrer Frauschaft in Rotterdam noch einmal Gold geholt hatte, zur absoluten Weltspitze unter den Turnerinnen gehörend, denkt nun, drei Monate nach der Befreiung Rumäniens kritisch über ihre Aktiven-Zeit nach. „Es gab so unheimlich viel“, sagt „Kati“ Szabo, die nun als Trainerin tätig ist, „das mir nicht gefallen hat, daß ich eigentlich keine einzelnen Punkte herausgreifen möchte“, und sie bittet um Verständnis, sichtlich genervt, wenn sie an die Zeit des braunroten Terrors erinnert wird.

Einen Punkt wenigstens will sie jedoch nicht verschweigen, die Manipulationen mit den Geburtsdaten: „Ich wurde am 22. Januar 1968 geboren, und nicht, wie immer behauptet, schon 1967.“

Ecaterina Szabo sei freilich nicht die einzige gewesen, die älter gemacht wurde, damit sie - um das Altersminimum von 15 Jahren bei internationalen Wettkämpfen zu umgehen frühzeitig zur „Devisenbeschaffung“ eingesetzt werden konnte. Von der Olympiafrauschaft 1984 war beispielsweise auch Lavinia Agache betroffen, „und von den heute Aktiven“, fährt Kati Szaboo ungeniert fort, „Daniela Silivas“.

Daniela Silivas, dreifache Olympiasiegerin von Seoul 1988 und dreifache Weltmeisterin von Stuttgart 1989, die nun um die Fortsetzung ihrer Karriere fürchten muß, weil im Ceausescu-Rumänien ihre schwere Knieverletzung, die sie sich wahrscheinlich in Stuttgart zugezogen hat, nicht ausreichend behandelt wurde und sie diese nun - nach fast einem halben Jahr - im Ausland operieren lassen muß, wird erst in den kommenden Wochen 19 Jahre alt.

Die noch (bzw. wieder) 18jährige ist in der Turnhalle im rumänischen Deva nahezu auf sich alleine angewiesen, nachdem vor wenigen Wochen der Internatsbetrieb aufgelöst und die Turnerinnen der Nationalfrauschaft nach Hause, das heißt zu ihren Heimtrainern geschickt worden sind.

Wer für die Urkundenfälschungen bei den Turnerinnen verantwortlich gewesen war, versichert Kati Szaboo, „wissen wir bis heute nicht“. Jedenfalls, das möchte die Jung -Trainerin, die nun im rumänischen Deva acht- bis zehnjährige Turnküken unter ihren Fittichen hat, versichern, „haben wir mit viel Freude unseren Sport betrieben. Keine von uns wurde dazu gezwungen!“

Freilich: Kati Szabo muß schon zugeben, daß nicht nur blanke Freude, sondern auch die Angst vor Hunger und Kälte junge Menschen in Rumänien zum Leistungsport getrieben haben. Offenbar war einigen Turnerinnen so wichtig zur Spitze zu gehören, daß sie zeitweise zur Selbstmedikation griffen, um sich vermeintliche Vorteile zu verschaffen. Angeblich sollen die Trainer nicht gewußt haben, daß sich einige ihrer Schützlinge mit prokainhaltigen Geriatrika versorgt hatten.

Wohl wußte aber die Geheimpolizei Securitate davon, die sogar, aus Angst, Informationen könnten ins Ausland gelangen, mit Hausdurchsuchungen und Verhaftungen bei den „Pillen-Beschaffern“ vorstellig wurde.

Diese „Beschaffer“ - Freunde und Familienangehörige - waren seinerzeit notwendig, da die Turnerinnen nur selten das Internat hatten verlassen dürfen. Daß Prokain nur nach einer Injektion, nicht aber bei oraler Verabreichung leistungssteigernd wirkt, wußten damals offensichtlich weder die betroffenen Turnerinnen noch die Sekuristen.