piwik no script img

■ Es wächst zusammen, was geklaut werden kannEin 83er GTI in Karl-Marx-Stadt

Chemnitz (taz) – Sein „Proleten-Porsche“ war ihm ans Herz gewachsen. Siegfried B. (38), ein Baufinanzierungsspezialist aus Schwaben, der seit mehreren Jahren in Chemnitz arbeitet, hatte seinen 83er Golf GTI aufwendig ausstatten lassen. Sportlenkrad und Auspuff, Leichtmetallfelgen und eine Speziallackierung für 5.000 Mark, die sein Auto als phosphoreszierenden Nachthimmel erstrahlen ließ. Ein tiefergelegtes Prachtstück, das nicht nur sein Besitzer hoch schätzte, sondern auch zahlreiche Diebe. Auf leisen Sohlen näherten sie sich den breiten Schlappen. Elfmal wurde der Volkswagen binnen drei Jahren aufgebrochen, zweimal mutwillig beschädigt und einmal gestohlen. Pech hatte der Schwabe auch im Straßenverkehr. Dreimal wurde er schuldlos in Unfälle verwickelt. Jedesmal suchten die Verursacher das Weite.

Nach dem letzten Aufbruch hatte der Schwabe den Ärger satt. Er bot seinen Wagen zum Verkauf an, stellte ihn in der City ab und heftete ein Preisschild hinter die Windschutzscheibe. Nach ein paar Tagen war das Auto weg – wieder gestohlen. Nun hatte Siegfried B. die Nase endgültig voll. Weil die Polizei noch nie einen der Täter ermittelt hatte, ergriff er die Eigeninitiative. Er recherchierte in GTI- Kreisen, stellte seinen Wagen, den er als ausgeschlachtetes Wrack zurückbekommen hatte, in der City als „Mahnmal“ ab. Er verteilte Handzettel mit der Bitte um Hinweise, schaltete eine Anzeige mit gleichlautendem Text für 800 Mark in einem Wochenblatt, in der er eine Belohnung von 2.000 Mark aussetzte.

Aufgrund eines Berichtes in der Lokalpresse meldete sich dann ein Jugendlicher, der dem Schwaben die Adresse von einem der Täter lieferte. B. hat die insgesamt vier Diebe inzwischen dingfest gemacht und läßt sie den Schaden von 8.000 Mark auf einer seiner Baustellen abarbeiten. Um noch einen Trumpf in der Hand zu halten, hat er von einer Anzeige bisher abgesehen. Nur wenn die Jugendlichen den Schaden nicht begleichen, will er ihre Namen der Polizei preisgeben. Doch diese Form der GTI-Justiz hat einen Haken. Die Polizei ermittelt nun gegen B. selbst. Laut Gesetz, so die Ordnungshüter, müsse er sein Wissen den professionellen Ermittlern zur Verfügung stellen. Der Schwabe schrieb unterdessen der Polizei, er sei gerne bereit, der Bitte nachzukommen, allerdings nur, wenn die Beamten den Schaden zuvor begleichen. Konrad Schwarz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen