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Es ist notwendig, dass man sich entscheidet

betr.: „Die neuen Tellerwäscher“ von Hannes Koch, taz vom 21. 2. 00

Das klingt ja ideal. Tellerwäscher. Befreiung von der protestantischen Arbeitsethik. Durchlässigkeit des Systems Marktwirtschaft. Katapultierung auf ein anderes soziales Niveau. Es ist aber leider so, dass es nur so klingt.

[...] Zum einen ist es so, dass man zwar durchaus große Gewinne an der Börse erzielen kann. Aber die Mechanismen, denen die Börse gehorcht, also auf Grund derer diese Gewinne entstehen, sind solche, die sich um das Wohl der Allgemeinheit keine Gedanken machen. Erwähnt seien hier die Begriffe „Lohndruck“ und „Inflationsangst“. Inflation scheint das personifizierte Böse für die Börsianer zu sein. Verbindet man nun aber mit einer Lohnerhöhung für die Arbeitnehmer im Allgemeinen etwas Positives, so wird ein Börsianer dies nicht tun. Lohnkosteninduzierte Inflation! Und was ist mit dem erwiesenen Zusammenhang zwischen niedriger Inflation und hoher Arbeitslosigkeit und umgekehrt? Wird Vollbeschäftigung nicht als erstrebenswertes Ziel angesehen? Als Maßstab für den Wohlstand einer Volkswirtschaft? Aber dadurch kann Inflation entstehen! Und dann werden die Zinsen steigen! Und dann wird die Börse fallen! Und dann können weiter Teller gewaschen werden. Jedenfalls von denen, die auf Herrn Koch gehört haben.

Irgendwo ist es doch notwendig, dass man sich entscheidet. Ist man nun Arbeitnehmer oder Arbeitgeber? Denn wer am Eigenkapital eines Unternehmens beteiligt ist, ist Arbeitgeber. Und man muss schon schizophren sein, um diese beiden Rollen gut miteinander zu vereinen. Und dass die Arbeitnehmer so viel Macht bekommen, dass sie in der Lage sind, diese Mechanismen umzukehren, ist nicht zu sehen. [...] Es ist eindeutig das reine Spekulationsmotiv, das in den Absichten der anlegenden Arbeitnehmer überwiegt.

Es ist noch ein weiterer Punkt zu beachten: Wer Geld in ein Unternehmen investiert und von den Gewinnen dieser profitiert, muss sich auch mit den Produkten und der Politik dieses Unternehmens identifizieren. Es sind sicherlich nicht alle Unternehmen böse, und nicht alle Produkte sind schädlich. Aber insbesondere die großen Unternehmen in Deutschland oder in den USA sind doch unter Kriterien, die in der taz nicht unbekannt sind, durchaus als zweifelhaft zu bezeichnen. [...] In der taz zu lesen, dass man hinnehmen soll, dass der Markt über die Politik regiert, ist eine Sache, von der ich nicht zu träumen wagte. Marc Gronwold, Bad Salzuflen

„Mit der Euphorie der Kleinanleger entsteht auch ein Stück Volksbildung.“ Diejenigen, an denen diese Volksbildung erfolglos vorbeigeht – die Lernbehinderten unserer Gesellschaft also –, stecken ihr Geld weiterhin in Genossenschaftsanteile der taz. Irgendjemand muss ja Herrn Kochs „Flexibilität, Risikobereitschaft und Neugier“ finanzieren.

Der Dank, Herrn Kochs breites Grinsen von der Meinungsseite ist dir gewiss, Genosse. Uli Schleh, Sindelfingen

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