: Es ist nicht alles Gold ...
■ betr.: „Wieder über zehn Prozent Arbeitslose“, taz vom 7.8. 96
Die Horrormeldungen vom deutschen Arbeitsmarkt überschlagen sich dieser Tage geradezu: Deutlicher Anstieg der Erwerbslosigkeit, eklatanter Lehrstellenmangel und die geplante Halbierung der Arbeitslosenzahlen bis zur Jahrtausendwende wird von der Bundesregierung letztendlich zu dem erklärt, was sie bei Fortschreibung der derzeitigen Politik schon immer war – eine Fata Morgana. Da sollte man sich nicht wundern, wenn viele Jugendliche, während ihre Eltern in Perspektivlosigkeit und Selbstmitleid verfallen, ihre Wut mit zunehmender Gewalttätigkeit artikulieren. Ob Punks in Bremen oder Skinheads auf ostdeutschen Campingplätzen – die junge Generation rebelliert auf ihre eigene (wenn auch absolut inakzeptable) Weise.
Doch was tun die Damen und Herren Politiker in Bonn ob dieser dramatischen Situation? Sie reden die Statistiken schön, baden das Volk in Leerformeln – und ignorieren selbstherrlich den längst überfälligen Handlungsbedarf. Dabei sollten die neuesten Alarmsignale nun wirklich den entscheidenden Anstoß geben. [...]
Dann gilt es, wirkungsvolle Strategien zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes zu entwickeln, um vielleicht doch noch die versprochene Halbierung der Erwerbslosenzahlen zu erreichen. Zu spät ist es eigentlich nie: Ob nun mit einem erneuerten Bündnis für Arbeit oder sogar in einer großen Koalition – die anstehenden Probleme lassen sich in jedem Fall nur von einer breiten und konsensfähigen Mehrheit lösen. Vielleicht sollten sich die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft dabei ein Beispiel am Kampfgeist der deutschen Olympioniken in Atlanta nehmen. Denn daheim in der Bundesrepublik ist längst nicht alles Gold, was glänzt ... Wolfgang Lütjens, Pressesprecher der deutschen Hilfe für
Kinder von Arbeitslosen e. V.
(DHK), Hamburg
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