: „Es herrscht wieder Ruhe im Land“
■ Nach 15 Todesopfern, mehr als 100 Verletzten und 2.000 Festnahmen flauen die Hungerunruhen in Argentinien ab
Buenos Aires (ap) - Drei Tage nach der Verhängung des Ausnahmezustands sind die Unruhen und Plünderungen in Argentinien in der Nacht zum Donnerstag deutlich zurückgegangen. „Es herrscht wieder Ruhe im ganzen Land“, sagte Innenminister Juan Carlos Pugliese, der linksgerichtete Gruppierungen für die Ausschreitungen verantwortlich machte. Nach Mitteilung der Behörden kamen bisher 15 Menschen ums Leben, mehr als 100 weitere wurden verletzt und über 2.000 festgenommen.
Vereinzelt wurden bis zum Mittwoch noch Unruhen aus Provinzstädten und Vororten von Buenos Aires gemeldet. In der Provinz Santa Fe, Zentrum der argentinischen Fleischindustrie, waren 3.000 Bereitschaftspolizisten sowie Einheiten der Nationalgarde und Küstenwache im Einsatz. In Santa Fe seien am Mittwoch 180.000 Liter Milch und 90 Tonnen Lebensmittel kostenlos an die Ärmsten der Armen verteilt worden. In La Plata, Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, wurden Lebensmittelkörbe mit Milch, Mehl, Zucker, Nudeln, Bohnen und Reis an arme Familien ausgegeben. Die Unruhen waren Folge der schweren Wirtschaftskrise des Landes.
Am Mittwoch bestätigte der Kongreß den von Alfonsin für die Dauer von 30 Tagen ausgerufenen Ausnahmezustand. Zugleich erhöhte der Kongreß die Mindestlöhne um 117 Prozent auf 8.700 Austral monatlich. Die Mindestrente für Witwen wurde ebenfalls erhöht und soll ab sofort 6.500 Austral (65 Mark) im Monat betragen, die für Pensionäre 7.500 Austral (75 Mark).
Von mehreren Seiten wurde erneut der Ruf nach einer vorfristigen Amtsübergabe Alfonsins an den neugewählten Präsidenten Carlos Menem laut. Der Peronist Menem hatte es noch am Dienstag abgelehnt, sein Amt vorzeitig anzutreten, traf aber am Mittwoch Alfonsin, um die jüngste Krise zu erörtern. Danach sagte Menem, er wolle mit der scheidenden Regierung bei der Lösung der Wirtschaftsprobleme zusammenarbeiten, aber nicht vor Dezember das Präsidentenamt übernehmen. Beide Politiker verständigten sich darauf, den Staatshaushalt des laufenden Jahres einer Überprüfung zu unterziehen, mehr Mittel für das Gesundheits- und Ernährungswesen bereitzustellen und den Kurs im Hinblick auf die Auslandsverschuldung in Höhe von 59 Milliarden Dollar zu koordinieren. Siehe auch Wirtschaftsseite
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