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Erziehungsforscher über Kita-Ausbau„Kitas müssen ertragen werden“

Gute Kitas kosten Geld, sagt Nils Diederich. Von Kurzschulungen für Arbeitslose hält der Forscher nichts, von Einrichtungen in schicken Villenvierteln viel.

Nicht jeder möchte so viele Kinder-Gummistiefel in seiner Nachbarschaft stehen haben. Bild: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Herr Diederich, um den Kitaausbau zu beschleunigen, gibt es die Idee größerer Kitagruppen. Für wie sinnvoll halten Sie das?

Nils Diederich: Das kommt auf den Betreuungsschlüssel an. Eine größere Gruppe kann sinnvoll sein, aber nur mit mehreren BetreuerInnen. Die könnten dann innerhalb der Gruppe differenziert und individuell auf Kinder mit unterschiedlichem Entwicklungsstand eingehen.

Wie viele Kinder sollte eine Person optimal betreuen?

Bei unter dreijährigen Kindern sind zehn bis zwölf Kinder das Maximum. Die ErzieherInnen spielen ja nicht nur mit den Kindern und regen sie zu Beschäftigungen an. Sie müssen manche auch noch windeln und sie aufs Töpfchen setzen. Das erfordert Zeit und Kraft.

Es gibt nicht nur zu wenige Kitaplätze, sondern auch zu wenige ErzieherInnen. Wie finden Sie Frau Schröders Idee, Tagesmütter und -väter finanziell zu unterstützen?

Die Idee ist gut. Aber ich halte sie nur mit erheblichen Investitionen für machbar, beispielsweise für eine fundierte Ausbildung. Es reicht nicht zu sagen: Da gibt es Mütter, die haben schon ihre eigenen Kinder großgezogen. Also können sie das ohne Weiteres auch noch für andere Kinder mit übernehmen. Personen, die Kinder pädagogisch betreuen, brauchen Erziehungskenntnisse und -fähigkeiten.

privat
Im Interview: NILS DIEDERICH

78, ist Politikwissenschaftler und Professor für Empirische Politische Soziologie an der Freien Universität Berlin. Er ist Experte für frühkindliche Erziehung.

Ebenso gibt es die Idee, Arbeitslose in Schnellkursen zu ErzieherInnen umzuschulen.

Auch hier gilt: Kurzschulungen reichen nicht. Die befähigen allemal für eine Hilfstätigkeit.

Könnten Hilfskräfte in einer Übergangsphase eingesetzt werden, bis es genügend ErzieherInnen gibt?

Darüber ließe sich nachdenken. Aber das kann man nicht gesetzlich regeln, das muss vor Ort flexibel entschieden werden. So könnten die Hilfskräfte in den Gruppen an der Seite erfahrener ErzieherInnen arbeiten. Parallel dazu könnten sie eine Fachausbildung absolvieren – in einer Art dualer Ausbildung.

So könnte man auch größere Gruppen bilden?

Das wäre möglich.

Sollten sich im Gegenzug auch Eltern, die ja vor allem den Kitaausbau fordern, in ihren Forderungen etwas zurücknehmen?

Ja. Aber das ist immer schwierig. Ob Eltern beispielsweise größere Gruppen akzeptieren, hängt in erster Linie von ihrem Vertrauensverhältnis zur Kita ab. Eltern bilden sich mitunter zu schnell Vorurteile, wenn etwas nicht gleich so läuft, wie sie es gern hätten. Da wird dann gleich alles hinterfragt anstatt zu schauen, ob die Kritik gerechtfertigt ist. An dieser Stelle sind wiederum die Kitas gefordert, den Eltern glaubhaft zu versichern, dass ihr Kind in der Einrichtung gut aufgehoben ist.

Inzwischen steigt die Zahl von AnwohnerInnen, die Kitas in ihrer Nachbarschaft nicht haben wollen.

Es gibt klare Gerichtsurteile, die Kinderkrach nicht als störenden Lärm definieren. Auch in einem Villengebiet darf es also Kitas geben, die müssen ertragen werden – ganz im Sinne der Kinder.

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14 Kommentare

 / 
  • A
    Achenar

    Eine Betreuungsquote von 1 auf 10-12 Kinder sei im U3-Bereich möglich...

     

    Mit derartigen "Experten" machen Sie sich zum Gespött der Fachöffentlichkeit.

     

    R.Achenar

  • E
    EuroTanic

    staatliche Erziehungseinrichtungen sind Humbug. Die Eltern müssen und sollen ihre Kinder erziehen. Der Zugriff des Staates auf die Erzieung und Ausbildung der Kinder ist eine Erfindung des Kommunismus. Der heutige Neokapitalismus ist nichts anderes als der gescheitert Realkommunismus in einem Scheindemokratischem Gewand. Überall wird der Bürger entrechted und entmündigt. Und Kitas sind da ein guter Anfang die nächste Generation zu indoktrinieren.

  • M
    momo

    Der Mann ist Politologe und 78 Jahre alt.

    Tsss, 12 Kinder !

     

    Was für ein Experte. Vieleicht kennt er sich ja mit den 10 despotischen Maßregeln des Kommunistischen Manifest aus.

    (Punkt 10 kostenlose staatliche Zwangskinderbetreuung für alle zur Erziehung eines kollektiv denkenden Sozialisten, Punkt 8 allgemeiner Arbeitszwang für alle, Punkt 7 Aufhebung der Familie)

     

    Allgemein wird 3,5 Kinder pro BetreuerIn empfohlen, B-W hat 5,

    Bayern 6 Kinder pro Betreuerin.

  • B
    Bimbambommel

    also mal ehrlich - hat man keinen Experten auftreiben können, dessen Wissen etwas näher an der Realität ist?

    Wer schon einmal selbst Kinderbetreuung von Unterdreijährigen ausprobiert hat, dürfte bei Zahlen von 10-12 Kindern schlicht aus den Latschen kippen.

    Kinder in dem Alter haben einen sehr hohen Betreuungsbedarf (und hier geht es weniger ums Bespaßen), sondern eher um Essen, Wickeln, etc. Bei einem Betreuungsschlüssel von 10 Kindern würde dann die Wartezeit für eine neue Windel mindestens eine Stunde betragen (wenn sie nicht ganz vergessen wird).

    Das kann nicht die Richtung sein, die wir uns für die Betreuung unserer Kleinkinder vorstellen.

    Ich würde hier gerne mal ein Interview lesen, dass vielleicht etwas näher an den "aktuellen" Erkenntnissen dran ist - vielleicht gar von jemanden, der/die diese Fragen aus eigener Erfahrung beantworten kann.

  • M
    mika

    5 jahre ausbildung zum erzieher-rin, ohne bezahlung (bafoeg), das passt einfach nicht.

     

    ich bin fuer eine duale ausbildung, die fair bezahlt wird. es sollte auch strenger geprueft werden, wer geeignet ist, als erziehre zu arbeiten und wer nicht. die ausbildung an sich sollte bundesweit geregelt werden und nicht jedem bundesland ueberlassen sein.

  • AK
    Annekatrin Klepsch

    Dass der Zehn-Punkte-Plan von Ministerin Schröder eine billige Mogelpackung ist, die auf Kosten der Betreuungsqualität zur Kapazitätserweiterung beitragen soll, ist offensichtlich.

    Die Vorschläge, die Herr Diederichs hier macht, sind jedoch auch eigenartig. In der Altersgruppe der unter Dreijährigen gelten bereits heute Betreuungsschlüssel von 1:4 (Bayern) und 1:6 (Sachsen), die in der Realität leider überschritten werden. Zehn bis zwölf Kleinkinder einer Erzieherin zuzumuten, wäre nur noch Aufbewahrung.

    Die berufsbegleitende Ausbildung von ErzieherInnen existiert bereits und die Rückmeldungen aus den Kitas sind positiv, jedoch wird z.B. in Sachsen deren Tätigkeit bereits voll auf den Personalschlüssel angerechnet und die anderen ErzieherInnen müssen während der Schultage deren Kinder mitbetreuen, was die Gruppen wiederum vergrößert.

  • DA
    Der Analogist

    Warum sollten alle einen Anspruch haben auf einen Kita-Platz? Berlin macht das Gesetz, bezahlt aber die Kommunen nicht, dass sie Kitas bereitstellen können. Mal wieder über die Verhältnisse gelebt, Leute.

  • M
    Michael

    Ich weiß natürlich nicht, wo der Herr Professor wohnt und ob er in seinem Alter noch das volle Gehör hat, aber ich wünsche ihm auf jeden Fall eine Kita im Nebenhaus, incl. Hol- und Bringverkehr.

  • ...

    Kitas in Villenvierteln? Hallo ... geht's noch? Hoffe doch sehr, daß in Herrn Diederich's Oberstübchen sonst alles paletti ist ...

  • M
    Maria

    Wo hat der Mann gesagt, dass er von Kitas in Villengegenden VIEL hält? Er hat auch nicht gesagt, dass er davon überhaupt etwas hält.

  • E
    eksom

    Für alle, die wegen Kinderlärm keine Kitas in ihrer Nachbarschaft haben wollen, gibt es eben dann keine Rente mehr aus dem Solidarpakt.

    Generationsvertrag wird mit diesen Leuten einseitig gekündigt! solche Leute müssen dann später ihre Renten von Ihren Hunden finanzieren lassen, oder gleich über den Verkauf Ihrer Autos, und Häuser selbst tragen!

  • AS
    Andreas Schmidt

    > "Bei unter dreijährigen Kindern sind zehn bis zwölf Kinder das Maximum"

    Eine Betreuerin für zwölf Kleinkinder unter 3 Jahren? Hat er das wirklich gesagt? Was soll das bitte für eine Massenkleinkindhaltung sein?

  • W
    Waage

    also ich finde wer 12 Kinder "windeln" auf den Topf setzen und bespaßen kann sollte nicht unter 5000 Euro Netto im Monat nach Hause gehen

     

    Außerdem drei Tage arbeiten, vier Tage frei...und mit 50 in die Rente...

     

    mal im ernst: eine Vollbetreuung von Kleinkindern geht höchstens mit einem halben dutzend Bälgern pro Nanni.Für alles andere gibt es in der gesamten Menschheitsgeschichte keine Beispiele, zumindestens keine die funktionierten.

  • W
    Waage

    also ich finde wer 12 Kinder "windeln" auf den Topf setzen und bespaßen kann sollte nicht unter 5000 Euro Netto im Monat nach Hause gehen

     

    Außerdem drei Tage arbeiten, vier Tage frei...und mit 50 in die Rente...

     

    mal im ernst: eine Vollbetreuung von Kleinkindern geht höchstens mit einem halben dutzend Bälgern pro Nanni.Für alles andere gibt es in der gesamten Menschheitsgeschichte keine Beispiele, zumindestens keine die funktionierten.