: Erwartete Selbstausbeutung
■ Kulturwerkstatt Harburg steht vor einer ungewissen Zukunft
Alle reden von der Stadtteilkultur als wichtiger Schnittstelle zwischen Hochkultur und sozialen Belangen zur kulturellen Emanzipation auf lokaler Ebene. Die Statt-Partei verstieg sich sogar dazu, in Zeiten quälender Sparzwänge den Ausbau der stadtteilbezogenen Kulturzentren zu einem von drei Bestandteilen des Kooperationsvertrages mit der SPD im Bereich Kultur zu machen. Wenn aber Probleme auftreten – und diese sind naturgemäß fast immer finanzieller Natur –, bleibt den Betroffenen eigentlich stets nur die weiter verschärfte Selbstausbeutung als Alternative zum Schließen.
Neuestes Beispiel: die Kulturwerkstatt Harburg. Ihr Dilemma beruht auf drei Ursachen: dem Wegfall der AB-Maßnahmen, der alle Stadtteilzentren hart traf, der mangelnden Zivilcourage einer Vermieterin sowie dem Verhängnis, nicht im „kulturellen Ödland“ zu liegen, weswegen die Kulturbehörde keine Möglichkeit zur Subvention sieht. Denn da der Riekhof in Harburg bereits subventioniert wird, fließen neue Gelder in Stadtteile, denen bisher jedes Kulturangebot fehlt.
Als „eine unangenehme Entwicklung aufgrund der knappen Mittel“, bezeichnet Tim Schleider, Pressesprecher der Kulturbehörde, diesen Zustand und fügt hinzu, daß dies ausdrücklich „keine Mißachtung der Arbeit der Kulturwerkstatt bedeutet“. Leider kann sich diese, deren Angebot von Theater- und Musikworkshops, Lesungen und „Kultur kulinarisch“ bis zur Möglichkeit, ein Fololabor zu benutzen oder Offset-Druck zu lernen, reicht, dafür nichts kaufen.
Verschärft hat sich die Situation nun dadurch, daß der Kulturwerkstatt die Räume gekündigt wurden. Ursache dafür sei, so vermuten die Betreiber, ein versuchter rechtsextremistischer Brandanschlag gegen das Haus, der sich gegen die in den Räumen der Kulturwerkstatt tagenden Antifa Süderelbe richtete. Damals drohte die Vermieterin mit Kündigung, falls man weiterhin Veranstaltungen unterstütze, die „Leute herausfordern“ könnten. Nun muß man sich neue Räume suchen.
Probleme, eine ähnliche Kulturherberge zu finden, gäbe es zwar nicht, erklärt das Vereinsvorstandsmitglied Klaus Sander, „nur an der Finanzierung mangelt es eben.“ Trotzdem will man nicht resignieren und betrachtet den Umzug sogar als Neuanfang. Selbstausbeutung als Erhaltungsprinzip, leider die Hamburger Regel. tlb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen