Erstes Urteil in Liechtenstein-Steueraffäre: Bewährungsstrafe für Steuerbetrüger
Erstes Urteil in der Liechtensteiner Steueraffäre: Ein Makler erhält zwei Jahre Haft auf Bewährung - und muss 7,5 Millionen Euro an den Staat und Organisationen zahlen.
BOCHUM taz Zwei Jahre Haft auf Bewährung: Das ist das Urteil im ersten Prozess um Steuerhinterziehungen über Stiftungen in Liechtenstein. Nach nur knapp drei Stunden Verhandlung verurteilte die 6. große Strafkammer des Landgerichts Bochum den Angeklagten, einen 66-jährigen Immobilienmakler aus dem hessischen Bad Homburg, aber zu einer zusätzlichen Bewährungsauflage. Innerhalb von drei Monaten muss der promovierte Ökonom insgesamt 6,5 Millionen Euro an karitative Organisationen zahlen, darunter Vereine zur Unterstützung von Obdachlosen, Suchtkranken und Kindern aus sozial schwachen Familien. Eine weitere Million Euro geht an die Staatskasse.
Der Makler hatte zuvor gestanden, von 2001 bis 2006 über 7,6 Millionen Euro Einkommenssteuer und mehr als 420.000 Euro Solidaritätszuschlag hinterzogen zu haben. Diese Steuerschulden hat der 66-Jährige bereits beglichen. Beim Strafmaß folgte das Gericht den Anträgen der ermittelnden Oberstaatsanwältin Margrit Lichtinghagen. Die hatte dem Angeklagten in ihren Plädoyer zwar vorgeworfen, er sei wie viele "in der Oberschicht" geld- und machtgierig und leide an "Selbstüberschätzung". Der Ökonom habe offensichtlich geglaubt, er könne die Höhe seiner Steuern selbst festlegen. Andererseits sei er nicht vorbestraft und habe umfassend mit den Ermittlern kooperiert.
Das Bochumer Urteil ist das erste in einer ganzen Serie von Verfahren, die in den kommenden Monaten erwartet werden. Ausgelöst wurden die Ermittlungen vom Bundesnachrichtendienst BND: Rund fünf Millionen Euro zahlte der Geheimdienst für Computerdateien mit Informationen über Geheimkonten in Liechtenstein. Lieferant war der 42-jährige Computerspezialist Heinrich Kieber, der die Dateien vorschriftswidrig von Rechner seines Ex-Arbeitgebers, des Liechtenstein Global Trust, kopiert hatte. Vor laufenden Fernsehkameras durchsuchten die Ermittler zuallererst die Kölner Villa von Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel, der daraufhin zurücktreten musste.
Mittlerweile ermittelt die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum in über 770 Fällen. Mehr als 350 Verfahren wurden bereits eingeleitet, über 420 Fälle werden noch überprüft. "Auch derzeit laufen Durchsuchungen", so der Sprecher der Ermittler, Oberstaatsanwalt Eduard Güroff, zur taz. Aufgrund der Untersuchungen konnten die Behörden hinterzogene Steuern in Höhe von insgesamt 110 Millionen Euro einfordern. Selbst angezeigt haben sich mittlerweile über 210 Steuerbetrüger. Sie entgehen wegen der Selbstanzeige zwar einem Strafverfahren, zahlten aber über 55 Millionen Euro an ihre zuständigen Finanzämter.
Unter dem hohen Fahndungsdruck zusammengebrochen ist auch der gestern verurteilte Immobilienmakler. Obwohl die Ermittler bei der Durchsuchung seiner Wohn- und Büroräume kein belastendes Material finden konnten, beschaffte er Unterlagen aus Liechtenstein, die der Zwergstaat unter Verweis auf sein Bankgeheimnis bis heute zurückhält. Der Ökonom habe sich "selbst ans Messer geliefert", sagte der Vorsitzende Richter Gerhard Riechert zur Begründung der milden Bewährungsstrafe.
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