: „Erstaunliche Ignoranz“
■ Neuer UKE-Skandal sorgt allenthalben für Empörung / Ermittlungen laufen
UKE-Skandale und kein Ende? Nicht nur der Stattianer Christian Bölckow fragt sich nach den neuen Vorwürfen, in welcher Abteilung der nächste aufgedeckt wird. Vier Jahre war in der Radiologie der Frauenklinik ein Therapie-Simulator illegal betrieben worden. Angesichts der vorigen Strahlenskandale zeugt das für ihn von einer „erstaunlichen Ignoranz“.
Der GAL-Gesundheitsexperte Peter Zamory forderte, den ärztlichen Direktor Heinz-Peter Leichtweiß von seiner Funktion zu entbinden und den UKE-Strahlenschutzbeauftragten Hans-Joachim Frischbier bis zur Klärung zu suspendieren. Es dürfe nicht sein, wetterte auch SPD-Vize-Fraktionschef Jan Ehlers, daß die „Ignoranz einiger Professoren die Leistungen der Ärzteschaft in dieser Stadt in Mißkredit bringt“. Er verlangte eine „schonungslose Aufklärung“.
Diese begann mit einer zufälligen Entdeckung des Amtes für Arbeitsschutz: Ende 1995 stellten Kontrolleure fest, daß das UKE noch immer ein Gerät betrieb, für das ihm bereits 1991 wegen erheblicher Mängel die Betriebsgenehmigung entzogen worden war. Mit diesem Simulator, Baujahr 1969, wurden pro Jahr rund 600 bis 700 Krebspatientinnen probeweise bestrahlt – als Vorbereitung auf die eigentliche Strahlentherapie.
Die Anschaffung eines neuen Gerätes, das rund 1,2 Millionen Mark kostet, hatte das UKE viermal zurückgestellt, obwohl der Wirtschaftsplan einen Posten für medizinische Großgeräte von 5,9 bis acht Millionen Mark auswies. „Daß in einer Klinik ein so wichtiges Gerät wie ein Therapiesimulator ohne Betriebsgenehmigung benutzt wird, ist ein schwerwiegender Vorgang“, so Senator Leo Hajen.
Für Patientinnen und Personal habe keine Gefahr bestanden, versuchte UKE-Sprecher Norbert Jankowski die Angelegenheit auf das Niveau einer „Ordnungswidrigkeit“ vergleichbar mit dem „Falschparken“ herunterzuspielen. Die Eingangsdosis sei zwar zu hoch gewesen, räumte er ein, aber die Strahlenbelastung tausendmal niedriger als bei der eigentlichen Therapie.
Nicht nur das Amt für Arbeitsschutz ermittelt jetzt, sondern auch eine Beratergruppe der Strahlentherapeutischen Gesellschaft im Auftrag der Wissenschaftsbehörde, die in diesen Tagen Gutachten zu Behandlungsmethoden in der Radiologie der Frauenklinik durchforstet. Patricia Faller
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