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Erst Kadettenanstalt, dann Landesparlament

■ Im neuen Landtag von Brandenburg wird noch kräftig gehämmert/ Zuwenig Wohnungen für die ParlamentsmitarbeiterInnen/ 50 Mitarbeiter der Staatskanzlei werden aus dem Westen importiert

Potsdam. Im großen Saal des neuen Brandenburger Landtags wird noch kräftig gehämmert, Tontechniker und Fußbodenverleger sind emsig bei der Arbeit. Einst Waisenhaus und Kadettenanstalt werden sich in dem 1727 im klassizistischen Stil erbauten Haus die 88 Abgeordneten am 26. Oktober zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenfinden. Das ehemalige Bezirksgebäude Potsdams wird in aller Eile für etwa eine Million Mark als Provisorium hergerichtet.

Eigentlich sollte der Landtag in den »Kreml« ziehen, wie der nahegelegene frühere Sitz der SED hieß. Doch über dieses Gebäude schloß die DDR-Post wenige Tage vor der Einheit noch schnell einen Mietvertrag mit der PDS-Tochter »Potsdam Consulting«.

Jetzt zahlt die inzwischen mit der DDR-Post zusammengeschlossene Bundespost die Miete an die PDS. Auf dem etwa sechs Hektar großen Gelände der ehemaligen Bezirksverwaltung werden die neun Ministerien und die Fraktionen Räume erhalten. Arbeitszimmer für die Abgeordneten gibt es aber nicht, darum müßten sich die neuen Parlamentarier selbst kümmern, erklärt der Leiter der Hauptverwaltung der Behörde, Rainer Speer. Zugleich müßten die etwa 700 Bezirksmitarbeiter ausziehen.

Die 2.300 Angestellten aus den Verwaltungen der drei ehemaligen DDR-Bezirke Cottbus, Frankfurt/Oder und Potsdam, die das Bundesland Brandenburg bilden, sollen in ein neu zu schaffendes Landesverwaltungsamt mit zwei Außenstellen überführt werden. Der Sitz der neuen Behörde mit etwa tausend Beschäftigten steht noch nicht fest.

Die neun Ministerien werden ebenfalls rund tausend Mitarbeiter brauchen. Nach Einschätzung Speers werden das Arbeitsministerium mit den Ressorts Gesundheit und Frauen sowie das Bildungsministerium mit den Bereichen Sport, Kultur und Wissenschaft die größten Häuser werden. Ihr Aufbau wurde mit Fachkollegen aus dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Berlin erarbeitet und steht fest.

Auch die Planung für die Staatskanzlei mit rund 80 Mitarbeitern ist abgeschlossen. Etwa 50 Angestellte sollen aus Westdeutschland »importiert« werden. Diese Entscheidung sei zwar in der SPD umstritten, sagt Speer, aber der künftige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) habe darauf bestanden. Die Bezahlung stelle dabei das größte Problem dar. Alte Hasen aus der Wirtschaft werde man wohl gar nicht anstellen können, weil deren Gehaltsvorstellungen nicht zu erfüllen seien.

Chancen böten sich hingegen Nachwuchskräften mit niedrigen Einstiegsgehältern. Für »Topleute« aus den NRW-Ministerien will das Land die Differenz zu Beurlaubungs- und Abordnungszahlungen aufbringen. Auch mit der Beherbergung der Westdeutschen gibt es Probleme. »In unserem Gästehaus in Caputh müssen die Bewohner über den Hof zur Dusche laufen. Das ist niemandem zumutbar«, urteilt Speer.

Der Aufbau eines Fuhrparks gestaltet sich offenbar ebenfalls schwierig. Zwar wurden von der Firma Mercedes-Benz zunächst bis zum Jahresende drei Wagen zur Verfügung gestellt, die wohl von den Spitzenpolitikern genutzt werden sollen. Darüber hinaus gibt es lediglich zwei weitere Dienstfahrzeuge. Das Telefonieren in den Westen wird zu Beginn nur mit Hindernissen möglich sein. Zwar baut das Unternehmen Siemens zur Zeit eine moderne Telefonanlage in das Gebäude ein, problematisch ist aber das veraltete Telefonnetz der Ex-DDR. Deshalb wird es im Haus auch eine »Westleitung« geben, über die vom Landtag direkt ins westliche Netz telefoniert werden kann. Dorothee Stacke/dpa

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