Erratum: Bye, bye, Petersburg! Transitive Malerei im gekreuzten Raum
Es bedarf schon einer gewissen Dreistigkeit oder, sagen wir, Kühnheit, um 55 Gemälde in einer langen Reihe nahtlos nebeneinander zu hängen wie die Alben-Cover in einer iTunes Playlist. Drei Maler und eine Kunsthistorikerin haben das so gewollt, Dean Annunziata, Franck Rausch, Raphaël-Bachir Osmanund Linda Franken,die im Juli die Erratum Galerieübernommen haben. Man will das auf Anhieb hassen, dieses Aneinanderqequetschte, wo jedes Gemälde das daneben hängende stört. Es stellen sich allerdings ganz andere Affekte ein. Überraschung zum Beispiel, dass hinter dem, was wie ein assoziatives Zufallsprinzip in der Hängung erscheint, ein bewusster Dialog über Bildergrenzen hinweg entsteht: Farbverläufe gehen ineinander über, abstrakte Formationen finden Entsprechungen in anderen Ecken, der Blick verlässt die chronologische Linienführung und beginnt unweigerlich, den Raum zu durchkreuzen. Das potenziell Überfordernde hat sich ins Spielerische gekehrt. Sternenkreuzer spielen ohnehin eine Rolle, buchstäbliche Arschgesichter schweben im Universum, mal mit menschlichen Zügen (Alex Tennigkeit & Barnett Paul),mal mit hündischen, wie bei Philip Grözinger,der auch so ein Taschenspieler ist und immer dort mitmischt, wo der Malerei in Berlin Ungewöhnliches widerfährt – wie beispielsweise beim Happening „The Art of Over-Painting“ letztes Jahr in der Keith Bar. Dort das gegenseitige Übermalen, hier die Bedrängnis, der Übergang, das Transitive. Bei Caroline Meyergeht es ebenfalls ins Außerirdische, Illustrative („Oaxacy earthquake“, 2017) und mit Axel Pahlaviins gänzlich Comic-Hafte: Auf „Il n’y a pas de plus grand amour 5“ (2012/15) hat ein Kind samt seinem pinken Alter Ego eine Begegnung der dritten Art. Sichtlich Spaß am Sammeln öffentlicher Auslassungen hat Lukas Glinkowski:Klo-Graffiti-Zitate prangen auf knallgelben Kacheln. Dass der Sprühlack auf den Quadraten wie eine künstliche Latexschicht anmutet, unterstreicht das Inszenatorische solcher Praktiken der halböffentlichen Selbstdarstellung. Eindeutig bestimmen auch die zentral platzierten abstrakten Arbeiten die Gruppendynamik: Reduziertes von Ivan Fayard, Getaptes von Volodomymir Bevzaund Collagiertes bzw. Gepflastertes von Vincent Gallais.Mit Tyra Tingleffgesprochen: „Glamour requires this space“. nym
Audio Edition zur Ausstellung: www.mixcloud.com/erratumgalerie
Bis 16. 12., Besuch nach Vereinbarung: erratumgalerie@gmail.com, Böckhstr. 40
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen