piwik no script img

■ Ernüchterung nach Italiens KommunalwahlenDie Früchte ernten andere

Was hatten die Reformer nicht alles mit der Zauberformel „Direktwahl“ verknüpft: einen unmittelbaren Einfluß auf die Auswahl derer, die regieren, einen hautnahen Kontakt zu den Gewählten, Transparenz in der Politik, stabile Amtsführung. Kein Zweifel, daß es an alledem mangelte im Lande der Zitronen (und, abgesehen davon, nicht nur dort). Doch was besser werden soll – es will und will sich nicht einstellen. Im Gegenteil. Zuallererst ist festzustellen: einflußlos bleiben in den künftigen Entscheidungskammern gerade jene, die Transparenz und Solvenz teils – wie der ehemalige Bürgermeister von Palermo, Orlando, und sein Kollege Novelli aus Turin – selbst vorexerziert, teils glaubwürdig zum Programm gemacht haben. Die oberitalienischen „Ligen“, von vielen als „die“ Erneuerungskraft schlechthin angesehen, wollen und werden zwar für neuen Wind in vielen Gemeinden sorgen – schon aus dem Grund, weil sie auf niemanden Rücksicht nehmen müssen – sie haben ja Wahlkampf gegen alle anderen geführt. Doch erstens verlockt gerade diese Situation zu unkontrolliertem Handeln, und zweitens müssen auch die Ligisten erst einmal zeigen, wie sie die Sanierung total heruntergekommener Städte bei gleichzeitig geradezu horrenden Schuldenbergen bewerkstelligen. Alleine Mailand braucht zur Altlastenbeseitigung an die hundert Milliarden DM.

Der weitere fatale Effekt der Wahlen ist die für viele erstaunliche Bestätigung der KP-Mehrheitsnachfolger vom PDS. Daß sie, vor allem in Mittelitalien, aber auch im Süden und partiell – etwa in Turin – auch im Norden viele Stimmen bekamen, hängt mit einem nachträglichen Glücksfall für die Partei zusammen: Sie hatte ihre Existenzkrise schon vor drei Jahren, kurz nach dem Mauerfall, und ist in den letzten Monaten gerade so eben aus dem Schlamassel hervorgekrochen. Viele Wähler sehen in ihr nun die einzige Gruppe des alten Machtkartells, die sich zumindest ein wenig modernisierte und derzeit über eine einigermaßen vorzeigbare interne Stabilität verfügt. Doch diese „Anerkennung“ hat eine böse Folge: Parteichef Occhetto, den entschiedenere Reformer in den nächsten Wochen gerne pensioniert hätten, strahlt nun wie ein Honigkuchenmännchen. Er wird seine innerparteilichen Kritiker nun abstrafen und unangefochten das tun, was er bisher schon immer versucht hat – sich in bewährter Alt-PCI-Manier weiter durchzuhangeln und mit den Mächtigen von gestern und den mutmaßlichen Machthabern von morgen zu arrangieren. Werner Raith, Rom

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen