piwik no script img

Die WahrheitLeidiges Lachtelefon

Wenn Lachyogis zur Lachnummer werden: ein gar lachhaftes Stück Lachkultur.

D as Lachtelefon hat mich ins Unglück gestürzt. Das kam so: Beim Lachtelefon lässt sich gemeinsam mit einem Lachtelefonisten oder einer Lachtelefonistin lachen. Aus Langeweile rief ich vor etwa zwei Jahren gemeinsam mit Kollegen dort an. Die Person am anderen Ende lachte, wir lachten, für meine Kollegen war es ein kurzweiliger Scherz. Für mich war es weit mehr.

Wenige Wochen später weitete ich meine Anrufe auf Österreich und die Schweiz aus. Das nasale Lachen der Österreicher und das krächzende Lachen der Schweizer erfüllten mein Herz und Zwerchfell. Gäbe es „Wetten, dass..?“ noch, ich könnte bis heute alle Alpenbewohner ob ihres Lachens ihren Geburts­tälern zuordnen.

Unzählige LE (Lach-Einheiten) später empfand ich neben intensiven Bauchschmerzen auch tiefe Dankbarkeit für das Lachtelefon, so viel Freude hatte es mir bereitet. Um etwas zurück zu geben, spendete ich große Teile meines Einkommens. Als mein Steuerberater mich fragte, ob das ein schlechter Scherz sei, konnte ich nicht mal mehr schmunzeln. Mein Lachen war jetzt für das Lachtelefon reserviert.

Immer tiefer stieg ich ins Lachgeschäft ein. Gleich Stücker sechs Lachyoga-Ausbildungen machte ich unter verschiedenen Namen. Außerdem gab ich meinen Job auf, ganz ohne Reue, dafür mit einem lachenden und einem vor Lachen weinenden Auge, und wurde selbst Lachtelefonist. Anders als damals weiß ich mittlerweile: Das tat ich nicht für andere, sondern nur für mich, denn ich wollte nur noch lachen. Was ich nicht bemerkte: Ich konnte auch nur noch lachen.

Lach, lach me do

Natürlich besuchte ich auch den jährlichen Lachgeburtstag des Lachtelefons. Dort lachte ich von „Lachen am Morgen“ bis „Lachen am Abend“. Selbst bei den Tagesordnungspunkten „Aufbau Flohmarkt“ und „Abendessen“ schüttelte ich mich vor Lachen. Ich lachte so viel, dass es den anderen Lachyogis schon am zweiten Tag zu viel wurde und sie mich rausschmissen. Ungläubig wollte ich über diesen vermeintlichen Scherz hinweglachen, doch die Gesichter der anderen blieben versteinert.

Als ich abends in meinem Bett lag und an die Decke schaute, lachte ich zum ersten Mal seit zwei Jahren nicht. Kein müdes Lächeln war mehr in mir, nur noch Müdigkeit. Als ich am nächsten Tag für einen kleinen Schuss Glück das Lachtelefon anrief, meldete sich mein ehemaliger Lachtelefonisten-Schüler Thomas. Kalt sagte er: „Ernst. Auch Spaß hat seine Grenzen“, und legte auf, bevor ich auch nur ein Glucksen rausgebracht hatte.

Heute, zwei Monate später, lache ich manchmal wieder über Dinge, wenn es angebracht ist. Ich schnaufe im Büro über Running Gags und kichere auf Dates über Urlaubsgeschichten. Ich habe ein gänzlich praktisches Verhältnis zum Lachen entwickelt. Und nur wer mir beim Lachen tief in die Augen schaut, erkennt, dass das Lachtelefon meinem Lachen für immer das Licht nahm.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Titanic, taz, titel, thesen, temperamente
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!