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Erneuter Krach um Kuttula-Kids

■ Zwei wurden in Hamburg straffällig / Strafanzeige gegen Jugendbehörde angedroht

„Kuttula“ und kein Ende: Vor zwei Monaten hatte die Hamburger Jugendbehörde beschlossen, keine weiteren Jugendlichen mehr in das finnische Heim zu schicken und „Anschlußhilfen“ für die dort lebenden fünf Hamburger Kids zu entwickeln. Jetzt wird ihr eben diese Entscheidung zum Vorwurf gemacht: Unter dem Titel „Zurück in die Kriminalität“ berichtete das Abendblatt gestern von zwei zurückgeholten Jugendlichen, die „sofort wieder straffällig“ geworden seien und im Gefängnis sitzen.

„Diese Darstellung ist falsch“, erklärt Jugendbehördensprecher Andreas Kuschnereit. Denn es handle sich in beiden Fällen nicht um von der Jugendbehörde vorzeitig zurückgeholte Kinder. Auch seien diese nicht „sofort nach ihrer Rückkehr straffällig“ geworden. Vielmehr sei einer der Jungen bereits vor anderthalb Jahren aus Kuttula geflüchtet, der zweite sei ebenfalls vor 15 Monaten gegen den Rat der Behörde von den Eltern nach Hamburg zurückgeholt worden.

In beiden Fällen sei der „Ausstieg“ erfolgt, ohne daß eine Möglichkeit bestanden habe, eine neue Betreuung außerhalb Hamburgs vorzubereiten. Kuschnereit: „Daß die beiden dennoch monatelang das Milieu gemieden haben und nicht straffällig geworden sind, ist durchaus ein Beleg für die Leistungsfähigkeit des Kuttula-Projektes. Ihre Flucht weist aber zugleich auch auf dessen Grenzen hin“.

Ein dritter Jugendlicher, der ebenfalls aus Kuttula flüchtete, wurde nicht wieder straffällig und absolviert in Hamburg eine Lehre. Für die fünf verbliebenen Kinder habe man genügend Zeit, geeignete Anschlußhilfen zu suchen. Kuschnereit: „Da wird aber niemand mit Handschellen rausgeholt“. Zwei seien auf eigenen Wunsch zurückgekehrt, bei den drei übrigen sei es noch „völlig offen“.

Wie berichtet, war das abschließende Gutachten des Bremer Professors Jürgen Blandow der offizielle Grund für die Aufgabe der Zusammenarbeit mit dem Jugenddorf. Aufgrund „detaillierter und unabhängiger Schilderungen diverser Jugendlicher“ kam der Erziehungswissenschaftler zu dem Schluß, „daß in der finnischen Einrichtung körperliche Strafen und andere gravierende Sanktionen als legitimes Erziehungsmittel betrachtet werden“. Auch wenn man es gern anders gehabt hätte, so Kuschnereit, ein solches Gutachten könne eine Behörde nicht übergehen.

Unterdessen hat der in Hamburg lebende Schwager von Kuttula-Chef Kari Björkmann, Nils Hannemann, gestern der Jugendbehörde Strafanzeige wegen Nötigung und Verleumdung angedroht. Grund: Die Behörde verbreite wider besseren Wissens, daß in Kuttula geschlagen würde. Außerdem sei dem Projekt gedroht worden, eine Kampagne in finnischen „Yellow-Press“-Blättern zu entfachen, falls es Probleme mit der Rückführung geben sollte. Kaija Kutter

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