Erneuerbare Energien: Die verhinderten Klimaretter
Wer sich eine Solaranlage aufs Dach setzt, muss sich gegen Denkmalschutz, Energiekonzerne oder Bebauungspläne durchsetzen. Warum Klimaschützer in Deutschland scheitern.
Eigentlich wollte Günter Wiechmann das Klima schützen. Nun zittert er vor seinem eigenen Ruin. Sein Vergehen: Er baute auf einem ehemaligen Bauernhaus eine Solaranlage. "Ich habe das als eine sehr gute Sache angesehen", sagt der 62-Jährige. "Für die Bank ist das kein Risiko, für uns ist das kein Risiko, und wir machen etwas für die Umwelt." Doch weil das Haus unter Denkmalschutz steht, soll Wiechmannd die 140.000 Euro-Investition wieder vom Dach nehmen. Denn im niedersächsischen Denkmalschutzgesetz heißt es unter Paragraf 6 Absatz 2: "Kulturdenkmale dürfen nicht zerstört, gefährdet oder so verändert oder von ihrem Platz entfernt werden, dass ihr Denkmalwert beeinträchtigt wird." Wiechmann kann das nicht verstehen.
Genial einfach
"Wenn ich mit so einer Anlage, die überhaupt keinen Lärm und kein CO2 produziert, 7.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen kann - das ist doch was", sagt Wiechmann. "Einerseits zerstört man unsere Umwelt, andererseits ruiniert man Menschen, die was Gutes tun wollen." Er fühlt sich als verhinderter Klimaschützer und ist damit kein Einzelfall.
Dabei erschien ihm der Plan so einfach wie genial: Das Gulfhaus mit einem 1.100 Quadratmeter großen Dach in dem kleinen Dorf Moorriem in Ostfriesland nahe Bremen gehört seiner Schwiegermutter. Schon seit 20 Jahren wurde es landwirtschaftlich nicht mehr genutzt. Die vordere Hälfte wird nach wie vor als Wohnhaus genutzt, für die hintere Hälfte, die ehemalige Scheune aber ließ sich keine weitere Verwendung finden: Als Handwerksbetrieb eignete es sich nicht, da der Fußboden nicht öldicht sei. Und auch eine weitere Nutzung eines so großen Hauses auf dem Land gab es nicht. "Wir wollten ja das Haus erhalten", so Wiechmann. Er schloss mit seiner Schwiegermutter einen Nutzungsvertrag ab und sah eine plausible Lösung: Eine Solaranlage sollte her. Die Fläche sei riesig, das Dach optimal zum Süden geneigt. Das erbringt sauberen Strom, der zudem staatlich gefördert wird. "Damit blieb auch das Haus erhalten. Wir tun also gleichzeitig sogar etwas für den Denkmalschutz."
Nachdem das Amt über drei Monate lang nicht auf seinen Antrag reagiert hatte, was es in den Augen von Wiechmanns Rechtsanwältin rechtlich eigentlich müsste, hat er den Plan in die Tat umgesetzt. "Ich bin zuvor mehrfach zum zuständigen Landkreis Wesermarsch gefahren. Ich hatte den Eindruck, dass die gar nicht wissen, was eine Photovoltaikanlage ist", sagt Wiechmann.
Einige Monate später wurden Amtsmitarbeiter geschickt, um zu gucken, was Familie Wiechmann auf dem Dach installiert hatte. Kurz darauf flatterte eine Anzeige ins Haus, dass man gegen das herrschende Baurecht verstoßen habe.
"Wir haben aus gutem Grund die Baugenehmigung nicht erteilt", sagt Stephan Maaß vom Landkreis Wesermarsch. "Der Landkreis hat es sich nicht auf die Fahnen geschrieben, gegen Klimaschutz zu sein. Aber Klimaschutz kann nicht über allem stehen. Eine Solaranlage kann man überall draufsetzen, die Zahl der Denkmäler ist sehr begrenzt." Die Entscheidung habe man auf der Grundlage eines Gutachtens des Landesamts für Denkmalpflege Niedersachsen getroffen.
"Soalranlagen sind Fremdkörper"
"Im Sinne des Naturschutzes würde ich eine Solaranlage immer befürworten", sagt Reiner Zittlau, Referatsleiter Bau- und Kunstdenkmalpflege, zu dem Konflikt Denkmal- versus Klimaschutz. "Bei Baudenkmälern ist es aber grundsätzlich so, dass Solaranlagen in der Regel ziemliche Fremdkörper für die Dächer sind. Vom Aussehen haben die etwas sehr Technisches." Solaranlagen und die herkömmlichen Dächer könnten eigentlich nicht zusammenkommen. Erteile das Amt jedoch einem Antragsteller den Anlagenbetrieb, müsse man es allen anderen auch erlauben. "Es gibt hunderte oder tausende von Anträgen. Die Dachlandschaft würde sich dadurch wesentlich verändern."
Deshalb versuche das Landesamt mit den jeweiligen Besitzern nach alternativen Standorten zu suchen, etwa Nebengebäuden. Zudem verweist Zittlau auf ganz andere Möglichkeiten, die stattdessen genutzt werden sollten, wie zum Beispiel große Dächer von Gewerbeparks. Zumal der Nutzen auf denkmalgeschützten Häusern eher gering einzuschätzen sei: "Nur drei bis vier Prozent aller Häuser stehen unter Denkmalschutz. Auf allen anderen Gebäuden können Anlagen gebaut werden."
Günter Wiechmann ist nicht der einzige verhinderte Klimaschützer, und Denkmalschutz auch nicht das einzige Beispiel. "Selbst mit der Einschränkung durch den Denkmalschutz gäbe es noch genug Potenziale, die ausgeschöpft werden könnten", sagte Stefan Thomas vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. "Dach und Kellerdecke können isoliert, Fenster erneuert und die Außenwand notfalls von innen gedämmt werden. Wohnungsmieter können allerdings meist nichts für die Dämmung ihres Gebäudes tun. Und im Windenergiebereich schränken manche Bundesländer und Kommunen die nutzbaren Standorte stark ein", sagt der Forschungsgruppenleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik. So wurde besonders seit dem Bericht des UN-Klimarates IPCC vor zwei Jahren viel über Klimawandel geredet, manche tun etwas dagegen. Und manche würden gerne, dürfen aber nicht.
Bei der Windenergie sorgen die Windvorranggebiete für Konflikte. Zahlreiche Landwirte wollen inzwischen ihre großen Flächen für Windräder nutzen. Doch einige Länder und Kommunen wissen dies zu verhindern.
1997 wurde der Nutzung von Windkraft eine Privilegierung eingeräumt. Diese besteht darin, dass Gebiete, in denen Windräder gebaut werden, laut Bundesbaugesetzbuch als Außenbereiche gelten. Eine relevante Entscheidung, da für einen Außenbereich per Definition kein Bebauungsplan notwendig ist. Gleichzeitig wurde jedoch eine Einschränkung festgeschrieben: Länder und Kommunen können Konzentrationsgebiete ausweisen, die sogenannten Windvorranggebiete. Dann kann es als öffentliches Interesse ausgelegt werden, dass nur in diesen Gebieten und nicht woanders Windräder installiert werden. Wie groß diese Konzentrationsgebiete sein müssen, wurde jedoch nicht festgelegt.
"Es spielt eine ganz große Rolle, welche Farbe die Landesregierung hat", sagt der Sprecher des Bundesverbands Windenergie, Ulf Gerder. Im schwarz-gelb regierten Hessen etwa dürfen nur bis zu 0,5 Prozent der Fläche mit Windenergie bebaut werden, was von den jeweiligen Regionalversammlungen vorgegeben wird. Den Auftrag dazu erteilt ihnen die CDU-FDP-Landesregierung im Landesentwicklungsplan. Konkrete Vorgaben liefert dieser nicht. In Ländern wie Brandenburg beispielsweise wird dagegen gleich im Landesentwicklungsplan ein Ziel von neuerdings 2 Prozent vorgegeben.
Der derzeitige Entwurf für den Regionalplan Südhessen sieht lediglich 0,14 Prozent der Fläche für Windenergie vor. "Wir sind der Meinung, dass in einem so verdichteten Gebiet wie dem Rhein-Main-Gebiet nur wenige Flächen in Frage kommen", sagte der CDU-Fraktionsvorsitzender in der Regionalversammlung, Bernd Röttger. Er befürchtet, dass in manchen Teilen des Bundeslandes "das Landschaftsbild nachteilig verändert" wird. Nachdem jedoch sogar das Landeswirtschaftsministerium den Entwurf zurückgewiesen hat, muss die Regionalversammlung über neue Möglichkeiten für Windvorranggebiete entscheiden.
Würde man in Hessen allein ein Prozent der Fläche ausweisen, ergäbe das nach groben Schätzungen des Bundesverbands Windenergie eine Leistung von 4.200 Megawatt. Derzeit hat Hessen nach einer Erhebung des Deutschen Windenergie Instituts eine installierte Gesamtleistung von gut 500 Megawatt. Auch Baden-Württemberg und Bayern hinken mit gut 400 Megawatt hinterher. Niedersachsen führt die Tabelle mit etwa 6.000 Megawatt an.
Tricks der Energiekonzerne
Manchmal spricht auch gar kein Gesetz gegen Klimaschutzmaßnahmen, und dennoch werden Menschen von deren Durchsetzung abgehalten. Auf solche Fälle weist der Solarenergie-Förderverein Deutschland hin. "Wer ganz stark verhindert, sind die Netzwerkbetreiber", sagt Geschäftsführer Wolf von Fabeck.
Ein Fall ärgert ihn dabei am meisten: Wer eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat und dafür eine Einspeisevergütung erhält, bekommt seit 2007 vom Energiekonzern RWE seine Gutschrift mit folgendem Hinweis geschickt: "Die Auszahlung der Vergütung erfolgt unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das EEG rechtswidrig sein sollte." Für den Fall der Rechtswidrigkeit? Der Solarenergie-Förderverein kann darüber nur den Kopf schütteln. Denn mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hat die damals rot-grüne Bundesregierung 2000 festgeschrieben, dass die Einspeisung von erneuerbarer Energie ins öffentliche Netz vom Staat gefördert wird. Diese Förderung von derzeit 33 bis 43 Cent pro Kilowattstunde ist für jede Anlage für 20 Jahre garantiert.
Von Fabeck sieht deshalb in dem Zusatz von RWE die klare Absicht, die Kunden und vor allem potenzielle Kunden zu verunsichern. "Man spricht ja im Bekanntenkreis über solche Fälle. Und wer überlegt hatte, eine Photovoltaikanlage zu installieren, lässt es dann vielleicht lieber bleiben, weil er Angst hat, dass irgendwann die Einspeisevergütung nicht mehr gezahlt wird", sagt von Fabeck.
RWE weist den Vorwurf zurück. "Wir zahlen ohne jede Einschränkung", sagt der Sprecher von RWE Rheinland-Westfalen Netz, Wolfgang Schley. Da derzeit in juristischen Kreisen darüber diskutiert würde, ob die EEG-Förderung als Steuer zu erheben sei, erfolge der Hinweis aus "Vorsichtsgründen für die Stromkunden". Allerdings, so muss auch RWE zugeben, sei im Moment kein Verfahren anhängig.
Im Fall Günter Wiechmann ist dagegen ein Verfahren anhängig. Der Ostfriese wartet auf einen Termin, um den Streit vor Gericht auszutragen. Er hatte eine Gegenklage gegen den Landkreis eingereicht, über die nun das Verwaltungsgericht Oldenburg zu entscheiden hat. Er ist fest entschlossen, bis zum Schluss zu kämpfen: "Sollte uns die Anlage verboten werden, muss sie ja auch erst mal jemand herunterholen. Dagegen werden wir uns mit Haken und Ösen verteidigen."
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