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Ermittlungen in TürkeiPutschvorwürfe gegen Militär

Die türkische Regierung behauptet, dass 2003 hochrangige Militärs einen Putschversuch planten. Der angesehensten staatlichen Institution droht der Verlust von Befugnissen.

50 Armeeangehörige werden von der türkischen Staatsanwaltschaft vernommen (hier: Parade am Feiertag der Republik) Bild: ap

ISTANBUL afp/dpa | Die Staatsanwaltschaft in Istanbul hat am Dienstag mit der Vernehmung von 50 Armeeangehörigen begonnen, die in Putschpläne gegen die türkische Regierung verwickelt sein sollen. Die ehemaligen und aktiven Offiziere stünden unter dem Verdacht des versuchten Regierungsumsturzes, berichtete der Nachrichtensender CNN-Türk. Unter den Verdächtigen sind die ehemaligen Kommandanten von Luftwaffe und Marine.

Die Tageszeitung "Taraf", der gezielt Interna aus dem inneren Zirkel des Militärs zugespielt werden, hatte am 20. Januar zuerst über den Plan unter dem Codenamen "Vorschlaghammer" berichtet. Er wurde im Jahr 2003 formuliert. Provokateure sollten als islamische Fundamentalisten getarnt ein Militärmuseum in Istanbul angreifen und Bombenanschläge auf zwei Moscheen der Metropole verüben.

In einem zweiten Schritt sollte ein türkisches Militärflugzeug abgeschossen und Griechenland die Sache in die Schuhe geschoben werden. Tausende "Feinde des Staates" sollten dann in der Türkei interniert werden.

Frühere Putschszenarien hat die Militärführung als Fälschung bezeichnet. Es gibt Tonaufnahmen des Generals Cetin Dogan, der als Autor des Plans identifiziert wurde. Er bezeichnete das Papier als Szenario für ein Kriegsspiel. Die Justiz geht dem nun auf den Grund. Generäle und Oberste müssen den Ermittlern Rede und Antwort stehen.

Immerhin hat das türkische Militär, das sich als Hüter des laizistischen Erbes von Republiksgründer Atatürk versteht, mehrfach Regierungen aus dem Amt geputscht. Ungeachtet dessen ist es in der Türkei noch immer die staatliche Institution mit dem höchsten Ansehen.

Erdogan beschneidet nun die Befugnisse des Militärapparats, der wie ein Staat im Staate ist. Innenminister Besir Atalay hob jüngst das vor 13 Jahren mit dem Generalstab unterzeichnete Emasya-Protokoll auf. Das Protokoll hatte es der Armee erlaubt, auch ohne Aufforderung der Regierungsbehörden bei Krisen im Innern einzugreifen.

Militäroffiziere haben mehrfach vor Erdogan und einer drohenden Islamisierung der Türkei gewarnt. Bisher stehen sie damit international weitgehend allein. In der Entwicklung der türkischen Gesellschaft seien Spannungen nicht neu, wurde ein US-Sprecher am Dienstag in der Türkei zitiert. Solange alles den Gesetzen entsprechend laufe, gebe es "keinen Grund für besondere Sorge".

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6 Kommentare

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  • F
    flopserver

    In der Türkei wie hier: Zivilrecht über Militärmacht

     

    Während in der Türkei das Militär endlich unter die zivile Gerichtsbarkeit rückt, somit deren undemokratische Macht und Putschversuche für die Zukunft unterbunden werden, gibt es hierzulande leider allzu deutliche Bestrebungen, auch vom Verteidigungsminister zu Guttenberg - nicht zuletzt wegen des äußerst umstrittenen Bombeneinsatzes in Kunduz angeordnet von Oberst Klein - den Weg umgekehrt zu gehen und eine eigene (Militär-) Gerichtsbarkeit für die Soldaten und Offiziere schaffen.

    Das dies ein demokratischer Rückschritt in Deutschland wäre, dessen sollten sich die Beifallklatscher hierzulande für den demokratischen Umbau in der Türkei auch mal bewußt werden und auch in Deutschland dem Militär keinen Jota zivilgesellschaftlichen Rechtsraum preisgeben.

  • M
    mst

    Bei den Kommentaren finde ich überraschend, dass z. B. Peter Wenner eine militärische Intervention in die Politik für besser hält als eine von dem Volk gewählte, legitime Regierung. Das nennen Sie als Demokratie?

     

    Und anil: In der 80-jährigen Republikgeschichte der Türkei sind 4 Umstürze gemacht von dem Militär. Wie kannst Du alle diesen Belege für falsch und paranoisch erklären? Niemand ist unantastbar. Falls das Militär was Böses macht, muss man auch die Soldaten bestrafen.

     

    Das, was gerade in der Türkei läuft, ist eine große Demokratisierungsbewegung und wie es seinerzeit in Italien mit Gladio runterging, wird bald auch in der Türkei die Sonne auf ein demokratisches Land scheinen.

  • O
    observer

    Die Regierung und die Industrie wollen eine neue Richtung fuer die Tuerkei: Als Kernnation im Nahen Osten, anstatt als Bettler im Nato-Europa. Aber das Militaer arbeitet fuer die USA und fuer Israel. Das Militaer wird verlieren - gegen die beiden seltsamen Brueder: Die Religion und die Wirtschaft! Sie koennen Geld verdienen und gleichzeitig gute Muslime bleiben: Das bietet der Nahe Osten mit den Oelnachbarn und den Madrassas. Was bieten die verschuldeten USA und Europa: Beteiligung an Nato-Einsaetzen...

  • PW
    Peter Wenner

    Also erstens gibt es keinen Beweis für solche Pläne und zweitens wäre eine militärische Übergangsregierung besser für die Türkei in ihrer Gesamtheit, als Erdogans Islamistenpartei.

     

    Jahrzehntelange und mühsame Säkularisation werden durch diese Partei zunichte gemacht.

  • F
    Francesco

    Dass sich die TAZ immer ausgerechnet beim Thema Türkei ohne die nötige Sorgfaltspflicht zeigt, wundert mich jedes Mal wieder und beeinträchtigt mein Vertrauen in die sonst so geliebte Zeitung. Im Klartext: Nicht die Regierung, sondern die von einem Gericht ermächtigte Staatsanwaltschaft behauptet den Putschversuch. Die türkische Regierung kann rein rechtlich keinerlei Behauptungen hinsichtlich einer von der Judikative erst vor zwei Tagen in Gang gesetzten Untersuchung machen. So viele Probleme bei der Demokratisierung des Landes auftreten mögen, die demokratischen Gepflogenheiten in der Türkei sind schon lange so weit, dass eine solche Äußerung der Regierung von breiten Schichten als Verstoß gegen die Gewaltenteilung gewertet werden würde.

  • A
    anil

    wieso macht die taz denn bei der paranoia a la taraf mit?das is ja nicht auszuhalten. jeden tag kommen neue materialien,neue tonbänder etc. die iwelche attentate belegen sollen. ich lach mich schlapp,wieso bewährt sich denn seit jahren kein dokument was taraf jeden tag veröffentlicht. münchenhausen is empiriker im gegesatz zu den journalisten der taraf. all diese meldungen kommen doch nur um das türkische militär zu schwächen. alles der schöne plan des greater middle east plans. na ja,die usa,die gülen bewegung und `liberalen´ wirds freuen