Ermittlungen gegen Ex-Präsidenten: Die Umschläge des Herrn Sarkozy
Ein Rückschlag für Sarkozys Hoffnung auf ein politisches Comeback: Wegen mutmaßlich illegaler Wahlkampfspenden wird nun gegen Frankreichs Ex-Präsidenten ermittelt.
BORDEAUX afp | Gegen Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy ist im Zusammenhang mit mutmaßlichen illegalen Wahlkampfspenden der L'Oréal-Milliardärin Liliane Bettencourt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. In dem Verfahren gehe es darum, ob Sarkozy die Schwäche der betagten Milliardärin ausgenutzt habe, teilte die Staatsanwaltschaft in Bordeaux am Donnerstagabend mit. Sarkozys Verteidiger kündigte Widerspruch dagegen an.
Bei der sogenannten Bettencourt-Affäre geht es um den Vorwurf, dass die heute 90-Jährige, die laut ärztlichen Gutachten bereits seit 2006 an fortschreitender Demenz leidet, den Präsidentschaftswahlkampf Sarkozys im Jahr 2007 mit illegalen Spenden unterstützt haben könnte.
Ermittlungsrichter Jean-Michel Gentil will dem Verdacht nachgehen, dass Sarkozy die mentale Schwäche der Milliardärin für seine Zwecke ausnutzte. Sarkozy hält seine Behandlung durch die Justiz in der Affäre für „skandalös“. Das sagte Sarkozys Anwalt Thierry Herzog am Freitag dem Sender RTL. „Nicolas Sarkozy ist immer kämpferisch, aber gleichzeitig hat er die Behandlungsweise, der er ausgesetzt wurde, als skandalös angesehen“, sagte Herzog. Der Anwalt zog auch die Unparteilichkeit des Untersuchungsrichters Jean-Michel Gentil in Zweifel, der ein Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy im Zusammenhang mit dem Verdacht der illegalen Wahlkampffinanzierung eröffnet hat.
Zum Ermittlungsverfahren warf Herzog die Frage auf, ob der Untersuchungsrichter ebenso nach belastenden wie entlastenden Beweisen gesucht habe. „Wir werden sehen, was das Berufungsgericht in Bordeaux dazu sagt“, unterstrich der Anwalt, der bereits eine Beschwerde gegen die „ungerechte“ Entscheidung zur Eröffnung des Ermittlungsverfahren angekündigt hat.
Der Verfahrenseröffnung war eine überraschend angesetzte Gegenüberstellung des 58-jährigen Politikers mit mehreren ehemaligen Bediensteten von Bettencourt vorausgegangen. Dazu zählten ihr früherer Butler Pascal Bonnefoy sowie ein früheres Zimmermädchen und eine Krankenschwester. Bei der stundenlangen Befragung ging es Ermittlungsrichter Gentil darum herauszubekommen, wie oft Sarkozy Bettencourt während seines Wahlkampfs besucht hatte.
Bis zu vier Milliarden Dollar für UMP
Sarkozy hatte ausgesagt, er habe Bettencourt nur ein Mal im Februar 2007 bei ihr Zuhause getroffen, als er ihrem im selben Jahr verstorbenen Mann einen Besuch abstattete. Sein Anwalt bekräftigte diese Darstellung am Donnerstag. Dieser Version hatten Angestellte von Bettencourt in der Vergangenheit aber widersprochen.
Bettencourts frühere Buchhalterin Claire Thibout sagte 2010 zudem aus, sie habe Bettencourts Vertrautem Patrice de Maistre Umschläge voller Bargeld ausgehändigt in der Annahme, es sei für Sarkozys Wahlkampf-Schatzmeister Eric Woerth bestimmt. Den Ermittlern zufolge könnten bis zu vier Millionen Dollar aus Bettencourts Vermögen an Sarkozys Partei UMP geflossen sein.
Das Ermittlungsverfahren ist ein Rückschlag für Hoffnungen auf ein politisches Comeback von Sarkozy. Er hatte angedeutet, dass er bei der Präsidentschaftswahl 2017 erneut kandidieren könnte. Die seit fünf Jahren laufenden Ermittlungen zur Bettencourt-Affäre hatten bereits Sarkozys Präsidentschaft überschattet. Seit seiner Wahlniederlage gegen den Sozialisten François Hollande im vergangenen Jahr genießt Sarkozy keine Immunität mehr.
Nun droht eine Reihe von Verfahren
Nun muss er eine Reihe von Verfahren fürchten: Er wird auch für Vetternwirtschaft bei Verträgen mit Umfrageinstituten, illegale Ermittlungen gegen Journalisten und Schmiergeldzahlungen bei einem Rüstungsgeschäft mit Pakistan während seiner Zeit als Haushaltsminister – bekannt als Karachi-Affäre – verantwortlich gemacht. Sarkozy wies die Anschuldigungen allesamt von sich. Nach der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens am Donnerstag legten mehrere UMP-Politiker nahe, dass die Justiz für politische Zwecke instrumentalisiert werde.
Sarkozy ist nicht der erste Ex-Präsident, der Ärger mit der Justiz bekommt. Sein ebenfalls konservativer Amtsvorgänger Jacques Chirac war Ende 2011 wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus