Marmor Stein und Eisen Brecht: Erich gibt Brecht
■ Eine Wortmeldung zum 100. Geburtstag
Wer hätte das gedacht? Ja, auch in der Marktwirtschaft läuft alles nach Plan. Zum 100. Geburtstag von Bertolt Brecht am 10.2. 1998 erscheint ein Tonträger mit Gedichten und Liedern Brechts, interpretiert vom Generalsekretär.
Was Luther die Bibel, war E.H. b.b. Bert Brecht, der Nationalpreisträger, war Honeckers Lieblingsdichter. Und der Mielke hat von allem nichts gewußt?!
Konnte er auch nicht. Sonst allgegenwärtig, selbst im Schlafzimmer wurden die Honeckers beobachtet und abgehört, sprich des Leibes bewacht, entzog sich Erich in einem geheimen Zimmer im Palast der Republik.
Das Kabinett des Dr. Honecker wurde jetzt beim „Entkernen“ des Lampenladens innerhalb seines Arbeitszimmers entdeckt. Hinter einer Sprelakarttür der Schrankwand vom Typ „Hellerau“ – abhörsicher. Eine wahre Fundgrube, ja Ohrenweide sind die noch unveröffentlichten Tonbandprotokolle. „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut“, singt und schmettert Erich Honecker aus dem Aufbaulied der FDJ (Text: Bert Brecht).
1961 wurde unter Leitung des gelernten Dachdeckers und 1. Sekretärs der FDJ die Mauer aufgebaut. Wirklich nur Zufall. Der Mecki-Messer-Song, schlicht mit Schifferklavier am Schiffbauerdamm, klingt einfach schaurig schön. „Die Pappel vom Karlsplatz“, natürlich kein Auftragswerk (Wenn Sie den Sozialismus haben wollen, müssen Sie ihn auch bezahlen – b.b.). Welch wundervolle Dialektik des Didaktikers und umgekehrt, denn was sagt E.H. dazu: Bisher wurde die Welt immer nur verändert. Es kommt aber darauf an, sie zu interpretieren.
Ja, ja, wo sich Geist und Macht vereinen – „Erich gibt Brecht“. Voraussichtlich wirklich einmalig limitierte Sonderauflage von 1998, MCs, WCs und CDs zum Preis von 19,98DM.
(Nur im guten Fachhandel und bei Buschfunk direkt: (030) 444 11 86. Uwe Steimle, Schauspieler und Kabarettist
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