■ Erhardts Bilanz: Abwarten, Tee trinken
Mehrere Stellenangebote seien bei ihm bereits eingegangen, ließ Manfred Erhardt sozusagen als Bilanz seiner vier Amtsjahre verlauten. Wie freudlos klingt das, verglichen mit dem Optimismus, den der Schwabe bei seinem Amtsantritt verbreitete. Damals stand die Humboldt-Universität, die sich gerade halbherzig in Selbstreform übte, im Mittelpunkt des Interesses. Mit seinem Wort von der „Elite-Universität“ sorgte Erhardt zwar für helle Aufregung, gab der Uni damit aber zugleich eine Existenzgarantie. Inzwischen ist man auch bei Humboldts längst auf dem Weg zur Massenuni – das bestätigt den Bedarf. Bloß fehlte bald das Geld. Die Vorschläge der „Landeshochschulstrukturkommission“ gerieten unter das Diktat der leeren Kassen. Seit den Etatberatungen 1995/96 ist klar, daß das Geld weder für den Abschluß des Aufbaus im Osten noch für die im Westen angemahnte Besitzstandswahrung langt. Eine „Neustrukturierung“ wie vom Senator angepriesen war das, was sich in den vergangenen vier Jahren an den Unis abgespielt hat, ohnehin nicht. Während das reformbedürftige westliche System im Osten lupenrein übernommen wurde, beschränkte sich der Wandel im Westen, euphemistisch „Gesundschrumpfen“ genannt, mehr aufs Schrumpfen denn auf die Gesundung. Im Sommer mußte Erhardt seine „Giftliste“ abzuwickelnder Fachbereiche zurückziehen. Seither setzt der Senator augenscheinlich auf Zeit, indem er die Entscheidung an die Unis weiterschiebt, wohl wissend, daß auch sie keine treffen werden. „Abwarten und Tee trinken“ heißt die Devise, auf die auch die Hochschulen setzen. Bis jetzt war diese Strategie, wenn es eine war, nicht ohne Erfolg. Ralph Bollmann
Siehe auch Bericht Seite 22
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