Erfolgsmodell Wahl-O-Mat: "Stimme nicht zu"
Dieses Wochende wird der neue Wahl-O-Mat entwickelt. Jugendlichen gibt er oft eine Wahlempfehlung. Das soll er gar nicht - sondern bloß Lust machen auf Politik.
BERLIN taz | Bei Charlottes erstem Kreuzchen half eine virtuelle orange Kiste. Bevor die 18-jährige Schülerin aus Berlin-Tempelhof bei der Europawahl für eine Partei stimmte, befragte sie mit ihren Freundinnen den Wahl-O-Mat im Internet. Am Ende entschied sich Charlotte für die Partei, die dabei am besten abgeschnitten hatte. Dabei soll der Wahl-O-Mat eigentlich keine Wahlempfehlung abgeben. Stattdessen will er "Lust auf Politik und Wahlen machen".
Um dies auch für die Bundestagswahl zu erreichen, trifft sich dieses Wochenende in Bonn eine Redaktion, um die politischen Aussagen für den 27. September zu formulieren. Anfang September, so der Plan, geht der neue Wahl-O-Mat dann online. Doch wer steht hinter dem Projekt, das bei der letzten Bundestagswahl bereits über 5 Millionen Mal genutzt wurde - und offenbar vor allem Jugendliche bei der Wahlentscheidung beeinflusst?
"Es ist ein Projekt von Jugendlichen für Jugendliche", sagt Stefan Trinius, der den Wahl-O-Mat für die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) betreut. "Es geht uns ja darum, Politikinhalte verständlich zu formulieren." 22 Erst- und Zweitwähler helfen mit, betreut werden sie von fünf Wissenschaftlern, die bei Fragen zu den Parteiprogrammen zur Verfügung stehen. Die Thesen, etwa "Atomkraftwerke abschaffen" oder "Wahlrecht ab 16" gehen an die Parteien. Gemäß deren Positionen kann man im Wahl-O-Mat dann "stimme zu", "stimme nicht zu" oder "neutral" anklicken. Vorrangiges Ziel des Wahl-O-Mat sei es, Interesse zu wecken und die Quote der Nichtwähler zu verringern.
Glaubt man Trinius, gelingt dies. Etwa 10 Prozent der potenziellen Nichtwähler überlegen sich nach der Nutzung, doch ihre Stimme abzugeben. Und "70 Prozent erkennen durch das Programm, welche Themen im Wahlkampf wichtig sind", sagt Trinius.
Trotzdem nutzen viele Jugendliche den Wahl-O-Mat zur direkten Wahlentscheidung. Dies sei eine Schwäche des Programms, sagt auch die Studentin Lisi Maier, die bereits zum vierten Mal ehrenamtlich in der Redaktion mitarbeitet. "Vielleicht sollte man noch stärker betonen, dass es keine Empfehlung ist", sagt die 24-Jährige.
Für den Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Universität Siegen ist der Wahl-O-Mat ein Erfolgsmodell. Eine Schwierigkeit sei es, komplexe Thesen zu vereinfachen. "Man muss aufpassen und populistische Thesen verhindern."
Deshalb landen am Ende auch nur die Thesen im Wahl-O-Mat, bei denen sich die Antworten der Parteien klar unterscheiden. Ganz kann damit Unehrlichkeit nicht ausgeschlossen werden, gibt Lisi Maier zu: "Wir können nicht wissen, ob die Parteien ihr Programm umsetzen, wenn sie an der Regierung sind."
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