: Entwertete Position
■ betr.: „Trauerarbeit“, taz vom 19.2.94
[...] Ähnlich wie der Autor erkenne ich in dem inflationären Gerede von „Trauerarbeit“ einen Beitrag zur Entdifferenzierung. Ich sehe nicht, wie sich über die Verbrechen der Väter und Großväter „trauern“ ließe. So etwas aber wird suggeriert durch diesen schwammigen und gar so „menschelnden“ Begriff. Am Ende sind dann, wie von Psychotherapeutenseite tatsächlich schwarz auf weiß veröffentlicht, „alle“ dem Holocaust „verfallen“, auch die deutschen Wehrmachtsoldaten. Über „alle“ läßt sich gefühlvoll „trauern“. Das ist Relativierung auf psychologisch.
Doch so wichtig es ist, solche Tendenzen deutlich zu kritisieren, bedeutet es leider ebenfalls eine Entdifferenzierung und stellte eine schwere Entgleisung dar, wenn in dem Artikel ganz allgemein von „dem Therapeutenpack“ gesprochen wird. Der Autor entwertet damit seine eigene Position und bewirkt nur Polarisierungen. Dr. Jürgen Müller-Hohagen,
Dipl.-Psychologe, Dachau
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