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Archiv-Artikel

Entweder Liebling oder Prügelknabe

betr.: „Die Erzieher übten Macht und Gewalt über uns aus“, taz vom 18. 2. 09

Guten Tag! Im Jahr 1968 bis 1969 habe ich, 16-jährig, mein Anerkennungsjahr zur Kinderpflegerin in einem Hamburger Kinderheim, in Großborstel, absolviert.

Die Zeit in dem Kinderheim, das Kinder von 3 bis 6 Jahren beherbergte (“versorgte“ kann ich leider nicht sagen), war geprägt von Erfahrungen, wie sie von den heute erwachsenen Heimkindern geschildert werden. Die Kinder mochten das Essen nicht, waren satt, aßen nicht genug, es gab Schläge. Unruhe beim Mittagsschlaf, Kleidung schmutzig oder kaputt, eingepinkelt, Schläge. Während der Mittagsruhe durften die Kinder nichts trinken, nicht zur Toilette. Glück hatte, wer der Liebling einer Betreuerin war – und es waren nur Frauen –, hübsch aussah oder noch Familienbesuch bekam. Misshandelten Kindern aus verwahrlosten Familien passierte im Heim fast das Gleiche wie zu Hause.

Auch ich habe mich, anfänglich und unter großen Schwierigkeiten, an diesen Umgang mit den Kindern gehalten. Zu meinem großen Glück habe ich von meiner Mutter eine Unterstützung in die andere Richtung erfahren. Sie hat mich in meinem Bestreben, gewaltfreien Umgang mit den Kindern zu haben, sehr unterstützt und sogar für die Entlassung der schlimmsten Schlägerin sowie einen Heimleitungswechsel gesorgt, sodass sich die Verhältnisse änderten. Auch ich stehe noch heute unter dem Eindruck dieser Zeit, schäme mich, diesen Erziehungsstil mitgemacht zu haben.

Auf jeden Fall eine Entschädigung für die Heimkinder, als Zeichen, dass die gemachten Fehler eingestanden werden und als Wiedergutmachung, wenn das möglich ist.

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