Entstelltes Zitat

■ betr.: „Geschichtsklitterung um DDR-Opposition“ (Rezession zu Martin Jander: „Formierung und Krise der DDR-Opposition. Die ,Initiative für unabhängige Ge werkschaften‘ – Dissidenten zwi schen Demokratie und Roman tik“), taz vom 21. 11. 96

[...] Um nachzuweisen, was nicht nachzuweisen ist, nämlich, daß ich in meinem Buch zwischen dem Sozialismusverständnis der SED und dem vieler Oppositioneller nicht unterscheide und deshalb gar kein angemessenes Verständnis von Opposition in der DDR entwickeln kann, zitiert mich der Rezensent unvollständig. Er zitiert: „Partei und Oppositionsgruppen hatten in dieser Phase der Entwicklung (vom Rücktritt Honeckers bis zur Maueröffnung, I.-S. K.) ein gemeinsames Problem. Ohne die Bereitschaft der Bevölkerung der DDR an einer Reform des Sozialismus [...] mitzuwirken, mußten ihre Vorstellungen ins Leere laufen.“ Dort, wo der Rezensent eine Auslassungsklammer eingefügt hat, stehen in meinem Buch die Worte: „auf gegebener und erneuerter Grundlage“.

Durch die Auslassung wird suggeriert, ich würde oppositionellen Gruppen und SED vor der Maueröffnung gemeinsame Vorstellungen über die Reform des Sozialismus andichten. Das ist falsch. Ich spreche von einem gemeinsamen Problem: der hohen Zahl der Flüchtlinge. Ich habe darauf hingewiesen, daß sowohl SED als auch oppositionelle Gruppen vor der Maueröffnung an die Flüchtlinge appellierten, im Land zu bleiben. Sowohl SED als auch oppositionelle Gruppen bezogen sich dabei auf ein – jeweils verschiedenes – Sozialismusverständnis. Entsprechend waren auch ihre Reformvorstellungen verschieden. Im Gegensatz zu Kowalczuk kann ich diese Aussage auch belegen.

Autoreneitelkeit? Keineswegs. Ilko-Sascha Kowalczuk will mit der Auslassung ja meine angebliche „Geschichtsklitterung“ belegen und behauptet, daß ich der DDR-Opposition abspreche, überhaupt nennenswert existiert zu haben. Das ist falsch. Ich zeige lediglich, daß die DDR-Opposition sich in Umfang, Selbstverständnis und gesellschaftlicher Wirkung wesentlich von der in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei unterschied. Wenn man so knallige Vorwürfe erhebt, sollte man schon ein wenig sorgfältiger sein. Martin Jander, Berlin