piwik no script img

Entmietung mit allen Mitteln

In der teilbesetzten Habersaathstraße versuchen Securitys, Be­woh­ne­r:in­nen zu verjagen

Von Timm Kühn

Für die Be­woh­ne­r:in­nen Habersaathstraße 40–48 muss es wie ein Déjà-vu vorgekommen sein, als am Freitag etwa um 6.30 Uhr morgens wieder gegen Wohnungstüren gehämmert und durch die Flure gerufen wurde: „Aufmachen!“. Erst am vergangenen Montag waren in der Straße Wohnungen polizeilich geräumt worden, die 2021 von wohnungs- und obdachlosen Menschen sowie Un­ter­stüt­ze­r:in­nen besetzt wurden.

Am Freitagmorgen aber rückten keine Po­li­zis­t:in­nen an, sondern Securitys einer privaten Sicherheitsfirma, wohl im Auftrag von Eigentümers Andreas Pichotta. Sie traten brachial auf. Fotos im Tagesspiegel zeigen herausgeschlagene Türrahmen, eingetretene Türen und demolierte Toiletten. Das offensichtliche Ziel: mit Gewalt und Einschüchterung die Be­woh­ne­r:in­nen zum Verlassen des Hauses zu drängen – ohne jeden richterlichen Räumungstitel, also illegalerweise.

Die Polizei bestätigte den Vorfall. Be­woh­ne­r:in­nen hatten die Beamten gerufen, nachdem die Securitys ins Haus eingedrungen waren. Wie die Behörde mitteilt, hätten Po­li­zis­t:in­nen den Sicherheitsdienst aus dem Haus begleitet und ihnen dort die „geltende Rechtslage“ erörtert. Gegen die Securitys würde nun wegen des Verdachts der Nötigung und Sachbeschädigung ermittelt. Verletzt worden sei niemand.

Die Arcadia Estates, der die Häuser gehören, will diese abreißen und Luxuswohnungen errichten. Seit Jahren wehren sich die verbleibenden Mie­te­r:in­nen dagegen. 2021 kam es dann zur Besetzung von etwa 30 leerstehende Wohnungen.

Unklar ist, wie es jetzt weitergeht. Schon länger hat der Eigentümer den Be­woh­ne­r:in­nen ohne Mietverträgen das Warmwasser und den Strom abgestellt. Zum 1. November hat Pichotta auch den Fernwärmevertrag gekündigt – dann könnten die Wohnungen kalt bleiben, trotz Winter. Der Bezirk hat dagegen Zwangsmaßnahmen angedroht. Unterdessen patrouillieren vor der Habersaathstraße 48 seit der Räumung am Montag Securitys, 24 Stunden am Tag.

Die Be­woh­ne­r:in­nen fordern, dass der Bezirk Mitte das Haus unter treuhänderische Verwaltung stellt und die gravierenden Mängel beseitigt. Unterstützung erfahren sie dabei aus der Linkspartei. „Ganz eindeutig schreckt der Eigentümer auch vor kriminellen Methoden nicht zurück. Das muss Konsequenzen haben“, sagte der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schenker, zur taz. Schenker schließt sich deshalb der Forderung nach treuhändischer Verwaltung an. Die Acardia Estates ließ am Sonntag eine kurzfristige Anfrage der taz unbeantwortet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen