■ „Entgleisung“ ohne Konsequenzen? : Rechtsextreme in der CDU
betr.: „Gestatten, Hohmann, Volksvertreter!“, taz vom 1. 11. 03
Dass Martin Hohmann mit rechtsgerichteten Gruppierungen sympathisiert, ist nicht etwa erst seit einigen Tagen bekannt. Die Fernsehsendung „Panorama“ berichtete bereits ausführlich über den so genannten rechten Flügel der CDU, im Besonderen aber über Martin Hohmann, MdB, unter anderem Referent bei verfassungsschutzbekannten Rechtsradikalen. […]
In der CDU jedoch blieben die Stimmen zunächst recht leise. Ein Flüstern hörte man von Laurenz Meyer, der nach eigenen Angaben mit Herrn Hohmann persönlich über dessen „Entgleisung“ sprechen wollte. So wird sich schließlich doch noch alles zum Guten wenden: Meyer verpasst Hohmann eine ordentliche Gehirnwäsche, woraufhin rechtsextremes Gedankengut rückstandslos aus den Synapsen des Majors der Reserve verschwinden wird.
Das Gespräch hat in jedem Fall seine Wirkung schon gezeigt. Hohmann entschuldigte sich, nachdem er in der Samstagsausgabe der Fuldaer Zeitung noch versucht hatte, seine Äußerungen zu rechtfertigen, auf Anraten der CDU-Spitze, doch noch. Des Weiteren bezeichnete Angela Merkel den Vortrag Hohmanns als „Völlig inakzeptable und unerträgliche Äußerungen“. Mit diesen scharfen Worten ist ein erster Schritt wenigstens getan, der leider längst überfällig war. Die CDU hat als so genannte Partei der Mitte viel zu lange rechtsextremes Gedankengut in den eigenen Reihen toleriert. […] Nun ist nur abzuwarten, ob der Einsicht doch noch Konsequenzen folgen. Ich hoffe, dass auch die Fraktion im Bundestag Handlungsbedarf erkennt und nicht länger versucht, durch Stillschweigen Rechtsextreme in den eigenen Reihen zu decken. LUKAS LARBIG, Hünfeld
Das eigentlich Beschämende und Entmutigende an dem Fall des Rechtsextremen Hohmann ist die hierzulande breit bestehende und stetig wachsende enorme Aufnahmebereitschaft für das von Hohmann verbreitete Gedankengut larmoyanter nationaler Selbstgerechtigkeit, Opferverleugnung und -diffamierung sowie antijüdischer Ressentiments. Das beweisen u. a. die halbherzigen, zahnlosen und allein auf das publizistische Alibi beschränkten Ermahnungsübungen vieler seiner CDU-Parteifreunde, die ihm vor allem die Dummheit seiner eigenen Enttarnung, nicht aber seine Haltung vorwerfen.
Der Umstand, dass ihm eine Volkspartei wie die CDU jahrzehntelang – trotz zahlreicher vorgelaufener Entgleisungen und seiner allseits bekannten Haltung – völlig unwidersprochen die notwendige politische Plattform gewährt hat und es mit dem Einverständnis vieler ihrer prominenten Sprecher immer noch tut, spricht genauso für die landesweite Existenz eines tief verwurzelten antijüdischen Vorbehalts wie die Tatsache, dass Hohmann ungehindert und widerspruchslos, eingebettet in eine bis heute anhaltende Atmosphäre des Wohlwollens, der Übereinstimmung und der Sympathie großer Teile seines Heimatkreises, seine ungeheuerlichen Thesen verbreiten konnte, ohne auch nur Dissens, geschweige denn Konsequenzen befürchten zu müssen.
Die nunmehr unverhohlen mit dem Ziel der Rettung Hohmanns ausschließlich der Parteiräson entsprungene – um Jahre verspätete – Entschuldigung bildet hier keinesfalls eine Umbesinnung ab, sondern bestärkt mit der widerwilligen Art ihres Vorbringens nur den oben genannten Sachverhalt. […]
RAFAEL KORENZECHER, Herausgeber Jewish Berlin Online,
Berlin