Entführungsfall Pokrzeptowicz-Meyer: Kein Feind Polens
Die Entführung des neunjährigen Moritz Pokrzeptowicz-Meyer wird in den polnischen Medien zum Politikum. Der Vater müht sich um Deeskalation - und keiner hört hin.
"Seit vier Monaten befinde ich mich in einem emotionalen Ausnahmezustand", meint Dirk Meyer. Genauer seit dem 24. Oktober, an dem seine polnische Exfrau seinen neunjährigen Sohn Moritz in Düsseldorf entführen ließ (die taz berichtete). In Polen hält sie sich mit ihm versteckt. Mit einem Appell an die Presse in Warschau am Montag will der 43-Jährige seine Exfrau zur Aufgabe bewegen. Er würde dann die Strafanzeige wegen Kindesentführung zurückziehen.
Dirk Meyer und Beata Pokrzeptowicz-Meyer streiten sich seit ihrer Trennung vor sieben Jahren um ihren Sohn. Anfangs hatte die Mutter, die an der Universität Bielefeld als Dozentin arbeitet, das Sorgerecht. Nachdem sie ohne Absprache ihren Sohn für Monate nach Danzig nahm, wurde dem Vater das Sorgerecht zuerteilt. Bis zur Entführung sah sie ihren Sohn zwei Jahre nicht, da sie mit ihm nicht Polnisch sprechen durfte: Nach einem Nervenzusammenbruch des Kindes verordnet ein Amtsgericht eine begleitete Begegnung zwischen Mutter und Kind.
Dirk Meyer bestritt am Montag, dass ein Polnischverbot vom Jugendamt verordnet wurde, er lege Wert darauf, dass sein Kind zweisprachig erzogen werde, der heutige Angestellte des Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen kennt Polen seit 1982 und hat sein Geschichtsstudium mit einem deutsch-polnischen Thema abgeschlossen.
In den polnischen Medien ist der Fall jedoch ein Politikum.
Meyers Exfrau hat sich in ihrem Versteck mit polnischen Journalisten getroffen und schwere Vorwürfe gegen das deutsche Jugendamt erhoben: Ihr Sohn werde zwangsgermanisiert, die Entführung sei darum ein Akt der Notwehr gewesen. Die Berichterstattung der polnischen Medien, darunter das einflussreiche Staatsfernsehen TVP und der ebenfalls populäre Sender tvn24, war entsprechend empathisch.
"Es tut mir weh, dass ich nun als Feind Polens dargestellt werde", meint Dirk Meyer.
Jacek Franek, sein polnischer Anwalt, verliert deutlichere Worte: "Hier wird ein Krieg auf dem Rücken des Kindes ausgetragen. Dies ist ein Konflikt zwischen zwei Menschen und nicht zwischen zwei Ländern."
Der Durchschnittspole wird jedoch kaum von Herrn Meyers Sicht der Dinge unterrichtet werden: Zu dem Pressetermin in einem Warschauer Hotel wurden alle wichtigen polnischen Zeitungen und Sender geladen, es ließ sich fast kein polnischer Journalist blicken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“