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Entführer der Schwarzmeerfähre geben auf

■ Tschetschenen-Unterstützer stellen sich den türkischen Behörden. Jelzin: 137 Rebellen – vermutlich auch Radujew – konnten entkommen, 153 wurden erschossen

Istanbul/Moskau (AP/AFP/dpa/taz) – Die protschetschenischen Entführer der Schwarzmeerfähre „Avrasya“ haben sich nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu gestern nachmittag ergeben. Dies berichtete die Agentur unter Berufung auf einen der Eigentümer der Fährgesellschaft, Atilla Nergis. „Sie haben ihre Waffen auf dem Schiff gelassen und sich den türkischen Behörden ergeben“, sagte Nergis der Nachrichtenagentur per Telefon. Ein Boot der türkischen Küstenwache habe sich der Fähre genähert und sei wenige Minuten später mit mehreren Menschen an Bord wieder weggefahren.

Am Nachmittag war das Schiff in der Bosporuseinfahrt vor Anker gegangen. Bis zum Abend hatten die Geiselnehmer nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu zwölf Geiseln freigelassen. Türkische Behördenvertreter waren zu Verhandlungen mit den protschetschenischen Kidnappern an Bord gegangen. Am Abend hatte das Schiff die Anker gelichtet und Kurs aufs offene Meer genommen. Die Entführer hatten zuvor auf einer Einfahrt in den Bosporus bestanden. Dies war von den türkischen Behörden abgelehnt worden. Bereits gestern morgen hatten die Behörden den Bosporus für den gesamten Schiffsverkehr gesperrt, ebenso den Luftraum. Mit ihrer Aktion hatten die Sympathisanten der Tschetschenen am Mittwoch ursprünglich ein Ende der Angriffe auf die Geiselnehmer in dem dagestanischen Dorf Perwomaiskaja erzwingen wollen.

Der russische Präsident Boris Jelzin erklärte gestern auf dem Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Moskau, bei den Angriffen auf das Dorf Perwomaiskaja seien 153 Partisanen getötet und 30 gefangengenommen worden. Nach seinen Angaben wurden 26 russische Soldaten getötet und 93 verwundet. Jelzin räumte aber ein, daß vermutlich 137 tschetschenische Kämpfer entkommen seien. Darunter soll sich auch der Rebellenführer Salman Radujew befinden. 82 Geiseln seien befreit worden, 18 würden noch vermißt.

Die Ortschaft blieb auch gestern abgeriegelt. Russische Soldaten durchkämmten das Dorf auf der Suche nach versteckten Rebellen. Siehe Seite 10

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