■ Englands Pauker sollen Erziehung der Kids übernehmen: Der letzte Kreuzzug
London (taz) – Mit der Moral, das läßt den BritInnen derzeit keine Ruhe, steht es in ihrem Lande nicht zum besten. Doch ihr Bildungsminister nährt nun die Hoffnung, daß Hopfen und Malz noch nicht verloren sind: John Patten verspricht ihnen künftige Generationen, die wieder zwischen Gut und Böse unterscheiden können. Die momentane Rate der Jugendkriminalität – jedeR vierte Minderjährige im Lande hat nach aktuellen Studien bereits ein Verbrechen begangen – bestärkt ihn darin. Und damit steht Patten nicht allein. Vereint in ihrem „Kreuzzug gegen die Kriminalität“ sind die Tories nun unermüdlich auf der Suche nach den Ursachen für diese mißratene Jugend. Als der konservative Innenminister Kenneth Clarke jetzt gar mit der Erkenntnis aufwartete, daß es eine Verbindung zwischen Kriminalität und sozialen Mißständen gibt, widersprach ihm sein Kollege Peter Lilley. Der Minister für soziale Sicherheit verweist auf die Zeiten vor dem Zweiten Weltkrieg, in denen es den Menschen doch noch viel schlechter gegangen sei als heute. Gab es damals auch nur eine annähernd so hohe Kriminalitätsrate, fragt er. Nein, nicht die Gesellschaft ist für die derzeitigen Mißstände verantwortlich – es ist der Verfall der Familie, der dem Minister Sorgen bereitet. Die gesunde britische Kleinfamilie, so Lilley, ist im argen. Die Sunday Times kann ihn darin nur bestätigen: „Quer durch das Spektrum der politischen, moralischen und religiösen Intellektuellen zieht sich die Erkenntnis, daß kleine, herzliche, sorgende Familien der einzige Weg sind, um zu garantieren, daß Kinder nicht in der Kriminalität enden, aber diese Familien sterben aus“, so das Blatt mit Sorgenfalten im Blick auf alleinerziehende Eltern: „Die abnormale Familie scheint die Norm geworden zu sein.“ Für Clarke, Lilley und ihre KollegInnen bleibt daher nur eine Konsequenz: Der Staat muß sich besser um das Wohlgedeihen der Nachkommen kümmern, sprich: Erziehung muß in den Schulen stattfinden. Eine extra Million Pfund, versprach der Innenminister daher, wolle er für Maßnahmen im Kampf gegen die SchulschwänzerInnen lockermachen. Sein Kollege Patten wird ihm nun von anderer Seite zuarbeiten: Um das Rechtsempfinden der jungen BürgerInnen zu stärken, will er erstmals in der britischen Schulgeschichte einen Moralkodex im Curriculum verankern. LehrerInnen sollen sich fortan verpflichten, bereits Fünfjährigen zu vermitteln, was richtig und was falsch ist. Richtig wäre es nach diesem Kodex, immer die Wahrheit zu sagen, Versprechen einzuhalten, anderer Leute Rechte zu respektieren, rücksichtsvoll zu handeln sowie schlechtergestellten Mitmenschen verantwortungsvoll zu helfen. Falsch hingegen wäre es, zu lügen, zu betrügen, zu prahlen, zu täuschen oder grausam und unverantwortlich zu handeln.
Wie schade, daß mancheR PolitikerIn diesen Moralkodex nicht auch schon als FünfjährigeR vermittelt bekam. Antje Passenheim
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