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EnergiewendeAtomkonzerne fordern Milliarden

Wegen des Atomausstiegs fordern deutsche Energiekonzerne Milliarden Euro Schadenersatz. Allein Eon beziffert seinen Schaden auf acht Milliarden Euro.

Dieser Turm soll weg: Atomkraftwerk Isar. Bild: dpa

BERLIN/FREIBURG taz | Für den Atomausstieg, den die Bundesregierung vor gut einem Jahr beschlossen hat, fordert der Energiekonzern Eon 8 Milliarden Euro Schadenersatz vom Staat. Nachdem das Unternehmen bereits im November eine Verfassungsbeschwerde gegen das Ausstiegsgesetz eingereicht hatte, wurde nun die geforderte Summe präzisiert, bestätigte ein Eon-Sprecher der taz.

RWE verlangt nach dpa-Informationen 2 Milliarden Euro. Die ebenfalls vom Ausstieg betroffenen Unternehmen EnBW, an dem das grün-rot regierte Baden-Württemberg beteiligt ist, und Vattenfall erklärten, sie prüften ihr weiteres Vorgehen noch.

Die Bundesregierung reagierte gelassen auf die Ankündigung. Man habe „keinerlei Zweifel, dass das Atomgesetz verfassungsgemäß ist“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Vorbereitungen für möglichen Schadenersatz würden derzeit nicht getroffen. Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl sieht die Schuld für die Klage hingegen bei der Regierung: „Es war die Laufzeitverlängerung, mit der Schwarz-Gelb die Bevölkerung diesem unnötigen Risiko ausgesetzt hat.“

Beim Bundesverfassungsgericht sind bisher zwei Verfassungsbeschwerden gegen den Atomausstieg eingegangen. Eon hat im November letzten Jahres geklagt, RWE im Februar 2012. Wann die Klagen entschieden werden und ob es in diesen Verfahren eine mündliche Verhandlung gibt, ist noch offen, sagte eine Sprecherin des Gerichts.

Staatskonzerne können sich nicht auf Grundrecht berufen

Zunächst werden die beiden Verfassungsbeschwerden den anderen Verfahrensbeteiligten, zum Beispiel Bundestag und Bundesregierung, zugestellt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldet, will das Gericht hier eine „große Zustellung“ vornehmen und auch andere Institutionen sowie Verbände wie Greenpeace einbeziehen, die an dem Verfahren interessiert sein könnten.

Die Wahl der „großen Zustellung“ sagt allerdings nichts über die Erfolgsaussichten einer Klage aus, sondern ist bei einer Verfassungsbeschwerde dieser Bedeutung und Dimension selbstverständlich.

Vattenfall und EnBW können keine Verfassungsbeschwerde einlegen, da sie sich in Staatsbesitz befinden und deshalb nicht auf Grundrechte berufen können. Vattenfall hat als Alternative zur Verfassungsbeschwerde deshalb im Mai ein Schiedsverfahren beim Internationalen Zentrum für Investitionsstreitigkeiten in Washington begonnen. Der schwedische Konzern verlangt ebenfalls Schadenersatz in Milliardenhöhe und beruft sich auf die Energiecharta von 1994. Dort wird ausländischen Investoren eine „faire und gerechte Behandlung“ versprochen.

Umweltverbände reagierten empört auf die Forderung der Konzerne. Es sein „an Dreistigkeit nicht zu überbieten“, dass die Konzerne Milliarden dafür wollten, „dass die Politik die Atom-Risiken gemindert hat“, sagte Ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay.

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15 Kommentare

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  • U
    Urgestein

    Für die Kernenergie in Deutschland ist das Verursacherprinzip nicht gegeben, da ein Großteil der Kosten für die Entsorgung von radioaktivem Abfall nicht von den Kernkraftwerk-Betreibern, sondern vom Bund bzw. Steuerzahler übernommen wird.

     

    Die Betreiber der Atomkraftwerke haben bis zum Ende der Einlagerung etwa 900.000 Euro Gebühren bezahlt, wogegen für die Schließung der Schachtanlage Asse Kosten von zwei bis sechs Milliarden Euro erwartet werden, für die Schließung des Endlagers Morsleben 2,2 Milliarden Euro.

     

    In den Verträgen zwischen Staat und Industrie zum Zwischenlager Nord (Lubmin) ist definiert, dass die Entsorgung des Atommülls nicht nach dessen umweltbelastender Strahlenaktivität, sondern pro Tonne Gewicht berechnet wird. Man ordnete 40 Prozent des Mülls der Industrie zu und 60 Prozent dem Staat (als "Forschungsmüll"). Laut Bundesumweltministerium werden jedoch 70 Prozent der einzulagernden strahlenden Aktivität von den kommerziellen Kernkraftwerken produziert, so dass eine Kostenaufteilung von 70 zu 30 angemessen gewesen wäre.

     

    Für die Entsorgung des Mülls und den gesamten Rückbau der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe fallen nach einer Kalkulation aus dem Jahr 2011 zusätzliche 1,6 Milliarden Euro an, die komplett vom Staat zu tragen sind.

     

    Gewinne erzielen die Energiekonzerne durch die Beteiligung an der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE). Die Entsorgung ihres eigenen Mülls beschert den vier großen Energiekonzernen durch die Beteiligung an dieser Gesellschaft aufgrund einer einseitigen Vertragslage eine hohe Rendite zu Lasten der Steuerzahler.

     

    Quellen: Wikipedia, SPIEGEL, Bundesverband erneuerbare Energien, Sendung "Kontraste" des RBB

  • J
    JanG

    Bzgl. der Kosten für Entsorgung und Endlagerung: diese Kosten werden gemäß dem Verursacherprinzip abgerechnet. Soll heißen: jedes Jahr erhalten die EVU's eine nicht gerade geringe Rechnung für ALLE Kosten die in diesem Jahr bzgl. Endlagerbetrieb, -erkundung und -erforschung anfallen.

     

    Anders gesagt: diese immer wieder gern zitierten Milliardenbeträge die bei der Endlagerung anfallen, werden bereits jetzt zu fast 100% durch die EVU's getragen.

     

    Lesetip: §21 AtG und die EndlagerVlV sowie hier

    http://www.kerngedanken.de/2010/12/wer-zahlt-fur-den-muell/

  • M
    mehrdad

    das ist das gute recht der konzerne.

     

    wenn keineroei investitions- und rechtsicherheit herscht, dann haben wir eine bananenrepublik und bald keine industrie mehr in deutschland.

     

    niemand wird dann in so ein land auch nur 1 cent investieren.

     

    das erleben wir ja nach S21. etliche grossprojekte sind gestoppt worden.

     

    wir müssen uns in deutschland entscheiden.

     

    wollen wir eine wirtschaftlich starke nation oder eine ohne woirtschaft, ohne industrie und mit zweistellige arbeitslosenquoten und ohne zukunft.

  • MD
    Mit Drei Sol

    Möglicherweise ist das von FDP und Union ausgearbeitete Atomausstiegsgesetz so mangelhaft (da mit heißer Nadel gestrickt), dass die Klagen des Energie-Oligopols eine gute Chance haben. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Schwarz-Gelb der Atomindustrie unter die Arme greift. Oder dass die regierende Koalition der Unfähigen ein Gesetzesvorhaben versemmelt.

  • G
    Gier

    Was ist das für eine niederträchtige und gierige Brut!

    Sind die Größenwahnsinnig oder gehören die gar in Sicherungsverwahrung? Wie viel Atommüll will man noch "erwirtschaften"? Die Gelddruckmaschine für AKW's läuft nicht mehr auf vollen Touren und schon lässt man den Larry raushängen. Ohne den Super-Gau in Japan hätte die sogenannte "Brückentechnologie" bis zum St. Nimmerleinstag oder bis zum Gau in Deutschland gedauert. Was hat man mit den erwirtschafteten Milliarden gemacht? Die sollten doch für erneuerbare Energien eingesetzt werden!? Der Kunde wird jetzt wieder Versäumnisse des Skandal- Kapitalismus bezahlen müssen. Bedenkt man, dass fast so viel Partei-Spenden an die DVU wie an die CDU gehen,Kann man sich ausmalen, welch Geistes Kinder da in den Konzernen sitzen.

  • RH
    Rosi H. Hesse

    Na, Klasse, diese Aktion der Energiekonzerne, denn jetzt müssten auch die letzten Kunden merken, dass sie schleunigst ihren Energieversorger wechseln sollten. Der Verdienst an den Kunden ist nicht mehr lukrativ nach der Energiewende ... dann soll der Staat kräftig draufzahlen.

    GEHTS NOCH ? Alternative Energieanbieter gibt es genug.

  • V
    viccy

    Die paar Euro haben wir auch noch. Nicht nur Banken, auch Atomkonzerne haben ein Recht auf Hilfe in ihrer bitteren Not.

  • P
    Peter

    Ob Entschädigungszahlungen für die Atomstromindustrie oder nicht, das Problem wäre ganz einfach zu bereinigen. Die Entsorgung des entstandenen Atommülls muss schließlich auch finanziert werden, und wer, wenn nicht die entsprechenden Verursacher, sollte hierfür aufkommen!

  • C
    Celsus

    Aber die teure Endlagerung in Höhe von zweistelligen Milliardenbeträgen sollen die großen Energiekonzerne weiterhin kostenlos vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen? Nein. Irgendwann muss damit Schluss sein.

     

    Und da das Ergebnis einer Klage noch ungewiss ist, sollte am besten sofort damit begonnen werden, angemessene Entgelte für die Endlagerung zu verlangen.

  • E
    e.a.

    15 Mrd? Warum denn so wenig? Schließlich blättern wir den Banken schon hunderte Mrd hin. Ach kommt liebe Politiker, legt den notleidenden Energiekonzernen doch noch paar Mrd mehr hin... sagen wir 50Mrd... Pro Konzern.

  • F
    Fassungslos

    Da verlangen die Atomkonzerne 15 Milliarden Schadensersatz, weil sie die Hochrisikotechnologie nicht mehr einsetzen dürfen. Vielleicht verlangt die Allgemeinheit mal von den Konzernen die Kosten für die Entsorgung des radioaktiven Abfalls. Die Kosten der Atomkatastrophe in Japan liegen mittlerweile bei weit über 100 Milliarden Euro, die ebenfalls die Allgemeinheit trägt. Angesichts dieser Zahlen ist eine Schadensersatzklage eine Frechheit.

  • M
    Matthias

    Auf diese Unverschämtheit gibt es eine passende Antwort: per Gesetz die Betreiber von AKWs zur Übernahme der GESAMTKOSTEN für ihre dreckige Technologie verpflichten, also einschließlich der Beseitigung und sicheren Endlagerung von Atommüll und einer Haftung für alle Schäden. Für jede andere Industrie ist das üblich. Schluss mit Privatisierung der Gewinne und Vergesellschaftung der Folgekosten.

  • M
    menschenfreund

    Tja, so ist das heute. Geld aus jedem noch so üblen Dreck machen. Warum sollen die „Energieriesen“ da eine Ausnahme machen?

    Die Wahrscheinlichkeit eines unsagbar großen Leides, unsagbar großen materiellen Schadens, den sie als Verursacher zu begleichen- aber nie gekonnt hätten, scheint an ihnen vorüber zu gehen. Statt sich darüber erleichtert zu geben, geht man rotzfrech in die „Offensive“ und versucht das, was sie immer schon hervorragend beherrschten: Abzocke.

  • J
    Jammerei_auf_hohem_Niveau

    Da es damals unter Rot/Grün im Bund klar war das der Atomausstieg erfolgt haben die Konzerne so reagiert wie erwartet:

    Darauf hoffend das eine genehme Regierung Schwarz/Gelb das wieder kippt und sie keine unternehmerischen Investitionen treffen müssen. Da aber Angie der Machterhalt wichtig ist (und sie die Bevölkerung gegen sich gehabt hätte), werden die ehemaligen Atom-Kungelfreunde "rausgemerkelt".

     

    Wenn andere Konzerne so planen würden , wären sie bald pleite.

    Wie sagte VW-Zetsche kürzlich ob der starken weltweiten Konkurrenz bei alternativen Autoantrieben: "Da hilft kein Jammern!" Und investiert entsprechend.

  • HL
    Herr Lehmann

    Können sie haben, verrechnen wir einfach mit den hochgerechneten Kosten für Asse-Sanierung, Rückbau der Alt-Meiler, zzgl. eines Risikoaufschlags für den Weiterbetrieb der letzten Kernkraftwerke. Nur blöd, dass der einfach nicht berechenbar ist, aber sicher ist auch, dass die Energiekonzerne dem Staat eine Menge schulden (etwa die 50 (DIW) - 200 Mrd. (greenpeace) Euro Subventionen dür die Atomkraft in Deutschland....