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Energiepolitik in LitauenAKW-Gegner als russische Agenten

Der Verfassungsschutz des Baltenstaates nimmt Kritiker des geplanten AKW ins Visier. Dabei werden ausländische, vor allem russische Einflüsse unterstellt.

Die Agenten sind überall: Russisches (!) Warnschild im litauischen Atomkraftwerk Ignalina. Bild: reuters

STOCKHOLM taz | Atomkraftgegner – die fünfte Kolonne Moskaus. Wie im Kalten Krieg wird derzeit in der litauischen AKW-Debatte diffamiert. Regierung und Atomkraftlobby wollen nämlich trotz aller Widerstände den Neubau eines Meilers durchsetzen.

Für die Mehrheit, die es in der Bevölkerung gegen diese Pläne gibt, hat die Regierung eine spezielle Erklärung: Die Opposition – je nach Umfrage 53 bis 65 Prozent der Bürger – sei von Russland gelenkt.

Wie „fremde Staaten“ die Anti-Atom-Propaganda steuerten, will jetzt der litauische Verfassungsschutz VSD herausgefunden haben. Dass der VSD in seinem dem Parlament vorgelegten Bericht damit trotz seines Atomausstiegs nicht etwa Deutschland meint, sondern Russland, ist offensichtlich.

Angebliches Motiv der AKW-Gegner sei nämlich, Litauen mit Erdgaslieferungen in Abhängigkeit zu halten. Der christdemokratische Ministerpräsident Andrius Kubilius reagierte „nicht überrascht“: Er habe schon lange den Verdacht, es gebe starke Interessen, die Energieunabhängigkeit Litauens zu unterwandern.

Fragwürdige Tricks der Atomlobby

Gintaras Songaila, bis vor einem halben Jahr Kubilius’ Parteifreund, seither unabhängiger Parlamentarier, will Nägel mit Köpfen machen. Er schlug einen neuen Straftatbestand „Verrat, gerichtet gegen die Unabhängigkeit im Energiebereich“ vor. Damit sollen Aktivitäten gegen Pläne, das Land unabhängig von Energieimporten zu machen, mit bis zu 12 Jahren Haft bestraft werden können.

Die Atomlobby kämpft mit fragwürdigen Tricks: So lancierte sie Berechnungen, nach denen Atomstrom die günstigste Energieform für Litauen sei – dabei werden aber Kapital- und Entsorgungskosten „vergessen“. Die Energieautarkie ist allerdings das größte Argument in der Debatte über den AKW-Neubau. Dabei würde Litauen komplett von Uraneinfuhren abhängig.

Zwar ist das Land bei seiner Energieversorgung seit der von der EU erzwungenen Stilllegung alter Sowjetreaktoren tatsächlich in hohem Maße auf Erdgaseinfuhren aus Russland angewiesen. Doch Litauen steht damit keineswegs allein. Im EU-Vergleich müssen nicht nur Spanien, Belgien und Österreich insgesamt einen höheren Anteil ihres Energiebedarfs importieren als der Staat im Baltikum, sondern auch Deutschland.

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5 Kommentare

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  • B
    ben

    @seldon

     

    was meinen sie denn mit atom- und oekohysterie in deutschland?

  • G
    grummelkuss

    Leider drückt dieses Verhalten viel Feindseligkeit

    und Dummheit aus.

    Kein Wunder, warum Putin mit Ikskander-Atomraketen

    droht, sollte der Raketenschirm auf die Balten

    ausgedehnt werden.

    Wenn ein Havarie der dortigen Atomkraftwerke

    passiert, kann man die Länder nahezu wegschmeißen.

    Sie werden aufgrund der vorherrschenden

    Witterungsverhältnisse sehr wahrscheinlich total

    kontaminiert werden.

    Wohin wollen die dann auswandern?????!

    Sicherlich wieder nach Deutschland und die Arbeitsplatzsituation wird furchtbar werden.

     

     

    So einen Integrationszwang und Ausputzerdienst will

    ich für Deutschland auch nicht

    und vor allem die Ökoressourcen sind dann dort vernichtet!

     

    Viele kleine russenhassende Staaten mit Atomraketen

    machen tatsächlich Angst.

    Es wäre besser die Baltenstaaten nicht übermäßig zu militarisieren und Grenzspannungen gänzlich zu vermeiden.

    Der Iran wird mit Sicherheit nicht die Balten angreifen wollen. Deswegen ist auch die Argumentation

    Obamas einfach nur massiv idiotisch.

     

     

    Balten geht mit Euch und Euren Nachbarn verantwortungsvoll um. Je besser Ihr Euch mit

    den Russen versteht, desto besser wird der zukünftige

    Handel laufen, wenn Russland aufgeholt hat

    und desto prosperierender wird Eure Kultur sein.

    Eigene Identität und Selbstbehauptung- ja,

    militärisches Säbelrasseln und

    mutwilige Havarierisiken- nein.

    Ihr habt die Pflicht so gut es geht für Euch selbst

    zu sorgen und für Euch nicht beherrschbare Risiken

    auszuschließen, um nicht bei anderen um Hilfe

    anzubetteln.

    Kein Staat der Welt hat Atommüllfrage

    endgültig lösen können. Eure Finanzen können

    das allein nicht stemmen und wir haben es satt

    für die Unvernunft der anderen mit einstehen zu müssen. ALSO NEIN, zu Atomenergie und Rettungsschild

    über Baltenland! Denn es kann dadurch weder Sicherheit, noch Frieden ,noch Unabhängigkeit

    erreicht werden.

  • B
    Benz

    @Seldon

    Ja wahrscheinlich haben Sie recht: überall russische Spione, Agenten und Saboteure. Deshalb finden Sie es sicher auch so gut wie ich, dass unsere Behörden den Mail- und Telefonverkehr überwachen, dass persönliche Daten gespeichert werden, usw.

     

    Ich empfehle Ihnen, in Zukunft Atomkraftgegner vorsichtsheitshalber bei der Polizei zu melden. Damit beweisen sie bürgerliche Wachsamkeit und leisten einen wichtigen Dienst am Vaterland. Für die Freiheit! Atomkraft oder Tod! Nieder mit den russischen Spionen!

  • HS
    Hari Seldon

    @benz:

     

    Sie schreiben: "überall werden Agenten und Spione vermutet, die Spionitis im Baltikum ist schlimmer als in den tiefen 50erjahren in den USA. "

     

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Regierung in Litauen Recht hätte. Vielleicht erinneren Sie sich noch an Mutlangen, Menschenketten gegen Mittelstreckenraketen, Friedens- und Ostermärsche, usw. Dann, nach der Wende, haben auch UdSSR Prominente Memoiren veröffentlicht. In einem solchen Büchlein hat ein ehemaliger KGB-General einiges über diese "Friedensaktivisten" (wie heute die "Menschenrechtsaktivisten")geschrieben. Es hat sich herausgestellt, dass die atomaren Mittelstreckenraketen damals eine echte Bedrohung für die UdSSR waren (die UdSSR verfügte damals über solche Waffen nur begrenzt). Das Politbüro hat natürlich Gegenmaßnahmen beschlossen. Eine solche "KGB-Lösung" war die Organization von Massenprotesten in Deutschland. Im Hintergrund war der KGB dabei: Viele ehrliche Menschen wurden einfach manipuliert und missbraucht. Der KGB-General benannte die manipulierten ehrlichen Menschen als "nützliche Idioten". Aus diesem Grund würde ich etwas vorsichtiger sein, und die obligatorische "Cui bono?" Frage stellen. Was meinen Sie, wer profitiert zum Beispiel aus der Atom- und Ökohysterie in Deutschland? Die Bevölkerung ganz sicher nicht.

  • B
    Benz

    überall werden Agenten und Spione vermutet, die Spionitis im Baltikum ist schlimmer als in den tiefen 50erjahren in den USA.

     

    Die rechtsnationalen Regierungen im Baltikum sehen überall Spione. Auch die schweren Auswirkungen der Finanzkrise im Baltikum sollen ja angeblich das Werk russischer Saboteure sein.