piwik no script img

Energie Cottbus mauert nicht mehrOffensiv auf Bewerbungstour

Energie Cottbus startet stark verbessert in die Rückrunde. Selbst notorische Problemspieler sind plötzlich ganz lieb

Cottbuser Jubelhaufen: Seit dem 2:1 gegen Werder Bremen ist Energie wieder da. Bild: dpa

BERLIN taz Bei dem Thema reagiert selbst der sonst so freundliche Gerhard Tremmel ein wenig unwirsch. Dann faucht er: "Diese Geschichten sind so lange her, die könnt ihr aus den Notizblöcken streichen." Nun, diese Geschichten, wie sie der Torhüter des FC Energie Cottbus nennt, sind in Wahrheit erst ein paar Wochen alt - doch vermutlich wird wirklich bald keiner mehr reden über all die Zerwürfnisse, Disziplinlosigkeiten und handfesten Rangeleien; über Spieler, die so unglücklich waren, dass sie kein gutes Haar mehr an ihrem Arbeitgeber ließen und nur noch wegwollten. Cottbus liefert mal wieder den Beweis dafür, wie schnelllebig das Business Bundesliga ist. Zur Winterpause noch abgeschrieben, hat der Klub mit sieben Punkten aus den letzten drei Spielen alle überrascht.

Als Synonym für den Wandel darf ein Spieler gelten: Dimitar Rangelow. Zwei Tore gegen Hannover (3:1), eines gegen Bremen (2:1). "Er hat sich wieder voll integriert", sagt Tremmel. Vor der Winterpause galt er als Brunnenvergifter, Sinnbild für die Zerstrittenheit des Kaders. Wäre im Winter ein Angebot gekommen für ihn und seinen Kumpel Stanislaw Angelow, ebenfalls damals am Rande des Cottbuser Sozialgefüges, der Klub hätte sie verkauft, wie Manager Steffen Heidrich einräumt. Heute gibt sich Rangelow geläutert. "Ansonsten verstehen mich die Leute wieder nicht richtig, und ich kriege eine Strafe vom Verein", sagt der Bulgare. Der Mann hat seine Lektion gelernt. Sehr zur Freude auch der Verantwortlichen, die ihn noch im Dezember mit 10.000 Euro Geldbuße belegten, weil er frühzeitig die Weihnachtsfeier verlassen hatte. "Ich habe Wiedergutmachung betrieben", sagt Rangelow jetzt.

Seine neue Zufriedenheit kommt nicht von ungefähr. Sie hängt auch mit der Taktik zusammen. Rangelow muss sich nicht mehr vor einem dichten Energieriegel allein aufopfern. Zwei Stürmer bietet Cottbus neuerdings auf, dazu schwärmen auch noch andere mit aus, die früher nur mauerten. Mit dem Rücken zur Wand wird Energie mutiger. "Wir haben gemerkt, dass wir mehr Offensivgeist brauchen, um Überraschungen zu schaffen", sagt Trainer Bojan Prasnikar, der über Vergangenes, Unrühmliches auch nicht mehr reden will. Denn das sind, ja man ahnt es, "alte Geschichten".

Im Grunde läuft es wieder wie bei den fünf Bundesliga-Klassenerhalt-Storys in der Klubgeschichte. Energie kommt erst in der Rückrunde richtig auf Touren. Das hat Gründe. Die Integration der vielen, meist in Osteuropa akquirierten Arbeitskräfte gehört dazu. "Deutschland", sagt Heidrich, "hat spielerisch nicht die stärkste Liga, aber physisch braucht man nirgendwo sonst so viel Eingewöhnungszeit." Das gilt auch für die Disziplin. Der Strafenkatalog wurde verschärft, so droht zum Beispiel ein Strafgeld von 250 Euro pro verpasste Unterrichtsstunde und sorgt dafür, dass keiner aus dem 13-Nationen-Ensemble mehr den Deutschkurs schwänzt.

Noch einen, ganz speziellen Grund für den Aufschwung gibt es: Der halbe Kader ist immer auf dem Sprung, weil es nirgendwo in der Liga so wenig zu verdienen gibt wie in Cottbus, das nur 13,5 Millionen Euro für seine Profitruppe ausgibt. Rangelow hat noch einen Vertrag bis 2011, sagt aber: "Ich gebe hundert Prozent für den Klassenerhalt - und vielleicht suche ich mir dann im Sommer was anderes. Ich bin in einem Alter, wo man noch einmal in den großen Fußball will." Anderswo würde man ihn für solche Worte rügen, doch Präsident Ulrich Lepsch sagt: "Wir haben schon immer davon profitiert, dass Spieler sich bei uns ins Schaufenster stellen wollen." Für entsprechende Angebote muss Rangelow viele Tore machen. Tore für ihn - und für das Kollektiv, das nun endlich wieder eines ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!