Endspurt US-Wahlkampf: Halbe Stunde Obama-Lobpreis

Für mehrere Millionen Dollar platziert Barack Obama wenige Tage vor der Wahl eine halbstündige emotionale Werbesendung auf wichtigen TV-Sendern.

Millionen für TV-Werbung, Bad in der Menge, Auftritt mit Bill Clinton - Obama lässt nichts unversucht. Bild: ap

Mit einem dreißigminütigen Werbespot, der am Mittwoch abend zur besten Sendezeit gleichzeitig auf sieben Fernsehkanälen ausgestrahlt wurde – Kosten: rund vier Millionen US-Dollar - , hat der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama einen weiteren Großversuch gestartet, zweifelnde WählerInnen davon zu überzeugen, dass sie ihm und seinen Plänen vertrauen können. Der wie ein Dokumentarfilm aufgemachte Beitrag unter dem Titel „Barack Obama: American Stories“, entstanden unter Mitwirkung von Regisseur Davis Guggenheim, der auch Al Gores „Unconvenient Truth“ in Szene gesetzt hat, sieht Obama in zwei Rollen – als Erzähler, der tief in die Sorgen und Nöte der abrutschenden US-amerikanischen Mittelschicht eindringt, und als Star.

Vier Familien aus verschiedenen Teilen des Landes werden vorgestellt, zwei weiße, eine schwarze und eine, aus deren Nachnamen Latino-Herkunft zu schließen ist. Alle leiden sie auf die eine oder andere Weise unter der Politik der Regierung Bush und der wirtschaftlichen Krise. Die Menschen, so die Message, warten wie Millionen anderer US-AmerikanerInnen auf Lösungen, und mit wem die kommen, bleibt völlig unzweifelhaft.

In einem Raum, der schon sehr an das Oval Office im Weißen Haus erinnert, erklärt Obama mit wie immer ruhiger Stimme, was er zu tun vorhat. Seine Steuerpläne, die Gesundheitsreform, die Umgestaltung der Schulen, der Schwenk zu erneuerbarer Energie, die Rettung der Mittelklasse vor dem weiteren Absturz. Dazu: Lob und Preis für Obama von Gouverneuren aus kritischen, noch immer umkämpften Staaten, Lob für seinen Wirtschaftsplan von Google-Manager Eric Schmidt, ein paar bekannte Figuren aus Obamas Leben und viel Musik und Ergriffenheit über den historischen Moment. Wenn es irgend möglich ist, per TV-Spot positive Energie auszustrahlen, dann hat dieser Spot das versucht, und nur ganz am Rande – aber immerhin genug, um nicht komplett überheblich zu wirken – sagt Obama: „Ich werde kein perfekter Präsident sein. Aber ich werde Euch immer ehrlich sagen, wo ich stehe.“ Seinen Gegner John McCain erwähnt Obama nicht ein einziges Mal.

Eine halbe Stunde nach Ausstrahlung dieses Spots, der mit Live-Bildern einer riesigen Obama-Wahlveranstaltung in Florida endet, ist auch John McCain zurück auf dem Bildschirm, interviewt vom CNN-Alttalker Larry King. Im Unterschied zum jungen, ruhigen, coolen, in die Zukunft schauenden Obama, der die ganz großen Probleme und seine Lösungsvorschläge unter die Leute bringt, blinzelt McCain ständig und kennt nur ein Thema: Obama. Gemein ist der Konkurrent. Und gefährlich.

Obama ist aus der öffentlichen Wahlkampffinanzierung ausgestiegen, obwohl er doch versprochen hat, das nicht zu machen. Jetzt hat er Millionen Dollar gesammelt, von denen „wir nichts über ihre Herkunft wissen“, sagt McCain mit verschwörerischer Miene, und wiederholt dann jenen Vorwurf, den seine Vizekandidatin Sarah Palin am gleichen Tag in den Wahlkampf eingebracht hat: Obama habe in der Vergangenheit beste Verbindungen zu einem Sprecher der palästinensischen PLO unterhalten, einer Terrororganisation.

Das ist Unsinn, wie selbst CNN dankenswerterweise in einem schnellen Fact Check nachrecherchiert. Aber es spricht Bände darüber, worin McCain, der noch immer in allen Umfragen so klar hinten liegt, dass er zum Gewinnen schon ein Wunder bräuchte, seine letzte Chance sieht: Angst. Nur: Präsidentiell und souverän wirkt das nicht: Eher weinerlich, verbittert und verzweifelt.

Für republikanisches Haareraufen hat am gleichen Tag auch der meist zitierte Handwerker der USA gesorgt, Joe Wurzelbacher alias Joe, der Klempner. Jener also, der Anfang Oktober bei einem Wahlkampfstop Obamas den Kandidaten angesprochen und ihm vorgeworfen hatte, er würde mit seinen Steuerplänen verhindern, dass er, Wurzelbacher, den amerikanischen Traum verwirklichen und sein eigenes Unternehmen kaufen könne.

Wurzelbacher, inzwischen aktiv an McCains Wahlkampf beteiligt, wurde vor laufender Kamera mit dem Argument konfrontiert, eine Stimme für Obama sei „eine Stimme für den Tod Israels“ – und stimmte zu. Das war dann selbst für den erzkonservativen Murdoch-Sender Fox zu viel. Moderator Shep Smith versuchte zunächst, im Gespräch mit Wurzelbacher herauszufinden, was den denn zu dieser Überzeugung gebracht habe – und als der Klempner darauf keinen vernünftigen Satz zustande brachte, sah sich Smith genötigt klarzustellen, dass Obama stets die Freundschaft zu Israel als oberste Priorität formuliert habe. Smith schloss mit den Worten: „Mann, also manchmal wird es wirklich furchterregend...“

Im Unterschied dazu: Obama spät abends bei Comedystar Jon Stewart und Michelle Obama bei dessen Konkurrenten David Letterman – charmant, relaxed, cool eben. Und mit identischer Story: Als Obamas Kinder mitbekommen hätten, dass ihr Papa auf allen Kanälen eine halbe Stunde Werbung kauft, hätten sie sorgenvoll gefragt, ob er gedenke, auch ihr Fernsehprogramm zu unterbrechen. Nach der Versicherung aber auf Disney Channel sei nichts gebucht, sei die Welt wieder in Ordnung gewesen.

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