: Endlich wieder Stille
Glamour-Oberfläche, dahinter Bescheidenheit: Soffy O, bekannt aus dem Hit „Missy Queen’s Gonna Die“, hat ein Soloalbum gemacht. Das Schöne daran: Es ist rundum gut geworden
von RENÉ HAMANN
Bescheidenheit ist möglich. Auch im verlotterten, auf den schnellen Effekt zielenden Musikgeschäft. Ein Schlüpfen hinter eine glänzende Oberfläche. Und da ein professionell arbeitender Mensch. Auf den Covern ihrer Singles und der neuen Platte, und auch auf den Konzertplakaten sieht Soffy O aus wie ein It-Girl, das frisch aus einer Zeitmaschine gesprungen ist: ein Pop-Art-Sixties-Mädchen, nicht so dünn wie Twiggy, aber bestimmt mit guten Chansons im Gepäck.
Dem ist aber nicht so. Soffy O hat vielmehr auf zeitgemäße Radiotauglichkeit gesetzt. „The Beauty of It“ heißt das Album, die erste Single, das lustig hüpfende „Everybody’s Darling“, treibt sich seit Ende Mai in der Welt herum. Eine Art She-Bop, ein perfekter Mitsummer im Rhythm-&-Blues-Schema. Durchaus vergleichbar mit „My Lovin‘“ von En Vogue. „Everybody’s Darling“, das sich textlich auf Berliner Szenemänner bezieht, die einmal durch den Szenezirkus tänzeln, bevor sie vielleicht wieder ins Unbekannte abtauchen, lief tatsächlich verstärkt im Radio, hat sich aber nicht wirklich durchgesetzt.
Das Album, produziert und mitarrangiert vom Kanadier Mocky, ist perfekter Pop geworden. Abwechslungsreich, mitreißend, treibend, schick, elegant und genau auf den Punkt. Mit hinterhältigen Texten, einem unfassbaren, kurzen Saxofonsolo („I never know“), guten Beats, cleveren Melodien und einer Verve, der amerikanischen Hupfdohlen wie Shakira oder Christina Aguilera nur zu wünschen wäre. Soffy O persönlich scheinen Hypes nicht viel auszumachen. Startum und Szenethröne interessieren sie nicht. Sie hört kein Radio und hat kein Auto. Im Interview gibt sie sich bescheiden, bleibt höflich, fällt dann wieder in ein lauteres Kichern. Sie ist umgänglich, allürenfrei, lustig. Eher klein, mit roten Haaren, heller Hautfarbe, Sommersprossen, eine perfekt Deutsch sprechende Schwedin.
Dass es sich bei ihrer Platte um Pop mit drei Ausrufezeichen handelt, um mehr als nur Funktionsmusik, nimmt sie schulterzuckend zur Kenntnis. Sagt, dass sie ihre Stimme nie so empfindet, wie sie auf den Platten klingt, ihre Stimme sei normalerweise tiefer, das hat viel mit der Produktion zu tun, das war bei Tok Tok schon so und war jetzt mit Mocky nicht anders. „Ich bin auch zu ehrlich“, sagt sie. „Das ist das Schwedische in mir, wir dürfen uns nie zu toll vorkommen, sollen immer bescheiden sein.“ Ihre Familie bekommt von ihrem Tun nicht viel mit, denn sie mag es nicht, ihre Musik vorzuspielen. „Ich möchte auch nicht wissen, ob meine Stücke im Radio laufen.“
Vielleicht ist das ein Schutzmechanismus – wie ihr Hang, sich entweder in die Arbeit zu stürzen oder sich zu Hause zu verschanzen. Die Schnodderigkeit ihrer Texte ist vielleicht auch so zu erklären. Die Texte schreibt sie hin, singt sie in ein Diktiergerät ein, später werden sie den Tracks angepasst. Die zweite Single heißt „Maybe a Dog“, ein gesungener Korb, eine Abweisung mit Hinweis auf überfüllte Tierheime. Wer kuscheln möchte, soll sich eine Katze zulegen oder eben einen Hund. Platt ist das nicht, sondern im kleidsamen Dress dieser Club- und Radiomusik eine wirksame Strategie. Vielleicht hat das bescheidene It-Girl auch genug zu tun, sich Dinge und Menschen vom Leib zu halten. Für Smalltalk, Geschäftsbeziehungen, oberflächliche Bekanntschaften ist sie kaum zu haben, das reicht von der Myspace-Kultur („Das ist wie damals im Kindergarten, wo es auch nur darum ging, möglichst viele Freunde zu haben“) oder von ihr ungeliebte Promotermine („Ich bin zu ehrlich“) bis ins Private.
Zu Letzterem sagt sie nur, dass sie sich gerade sehr wohl fühlt. Sie geht nicht oft aus, kocht lieber, schaut Filme und hört Platten aus allen Stilen. „Es gibt keine falsche Musik“, meint sie dazu. Ihr wirklicher Name ist übrigens Sophia Larsson Ocklind, das klingt fast aristokratisch. In Berlin lebt sie seit gut acht Jahren, hier hat sie, schenkt man der Labelinfo Glauben, schon früh Kontakte geknüpft, gerade zur Szene rund um die Galerie berlintokyo. Gonzales, Peaches, Mocky, die üblichen Verdächtigen. Dann hat sie Tok Tok getroffen, mit ihnen den Hit „Missy Queen’s Gonna Die“ gelandet, ein großer Hit zur Popkomm 2001, Airplay im Radio, Rotation auf Viva. Danach ging es einmal um die Erde, zwei, drei Jahre lang, bis es endlich wieder still wurde und sie sich sammeln konnte, ausruhen, um langsam und allmählich an neue Ideen zu kommen. Die man sich jetzt, fünf Jahre später, auf ihrem Debütalbum als Solokünstlerin anhören kann. Es lohnt sich.
Soffy O: „The Beauty of It“ (Virgin)