Endlich wieder Fussball-Bundesliga: Vau-Veh ist schon spitze
Titelverteidiger VfL Wolfsburg eröffnet mit einem rasanten 2:0 über den VfB Stuttgart die Bundesliga. Läuft es mit Armin Veh so weiter wie mit Magath?
Wenn man ein rasantes Auftaktspiel gegen einen starken Gegner namens VfB Stuttgart letztlich souverän mit 2:0 (0:0) gewonnen hat, stellt sich manchem schnell die Frage: Wird der deutsche Fußballmeister VfL Wolfsburg etwa in der neuen Saison so weitermachen, wie er in der alten aufgehört hat? Spielmacher Misimovic (71.) und Bundesliga-Torschützenkönig Grafite (82.) hatten in der ausverkauften VW-Arena am Freitagabend die Tore für den VfL in einem gutklassigen, temporeichen Eröffungsspiel der 47. Bundesligasaison erzielt.
Das meistgebrauchte Wort danach war "intensiv". Bundestrainer Joachim Löw benutzte es, und auch der neue Wolfsburger Trainer Armin Veh. "In der zweiten Hälfte waren wir präsenter und dominanter", sagte er. Dadurch wurde es zu einem Spiel, nachdem man glücklich war, wenn man nach zweieinhalb Monaten Bundesligapause sofort wieder ins Stadion gerannt war. Ein wunderbar lauschiger Sommerabend, die Arena war am Ende verzückt wie im Mai und selbst dem Nationalspieler und Musterprofi Marcel Schäfer gar nicht nach Understatement zumute. "Ich würde sagen: Wir sind noch stärker geworden", sagte der Linksverteidiger auf die Frage, ob man so stark sei wie im Vorjahr. Wenn man so weitermache, sei man "auf einem guten Weg." Es sieht bisher tatsächlich gut aus: Den Dauerkartenverkauf hat der VfL in Rekordhöhe von 21.500 gestoppt, das Meisterteam wurde komplett gehalten, zudem hat die VW-Tochter in zusätzliche spielerische Qualität um die 20 Millionen Euro allein an Ablösesummen investiert, das erste Pokalspiel in Wehen hat man mit einem souveränen 4:1 absolviert.
Erste Erkenntnisse aus dem Spiel deuten darauf hin, dass der VfL mit Armin Veh wieder ein starkes Team hat und tatsächlich einen anderen Fußball zu spielen gedenkt als jener, mit dem Vorgänger Felix Magath den ersten Titel in der 12jährigen Bundesligageschichte realisiert hatte. Also: Weniger Flugbälle, mehr Ballbesitzfußball. Veh sagt, der alte Stil sei "durchschaut". Der neue VfL zeigte sich tatsächlich geduldiger als früher. Der Algerier Ziani rechts im Mittelfeld als zweiter Dribbler neben Misimovic soll Spielstärke einbringen und tat das auch.
"Man sieht, dass wir ein bißchen ruhiger spielen als bei Felix Magath", sagte Misimovic, "wir versuchen zu kombinieren." Stimmt. Einzig Innenverteidiger Alex Madlung scheint noch nicht über den neuen Stil informiert. Er drosch seine Flugbälle nach vorn wie eh und je. Es wird sich zeigen, ob man gleichzeitig den Speed und den Biß der Magath-Jahre behalten wird und ob damit weiter die Stärken der Stürmer zum Tragen kommen. Misimovic konstatierte jedenfalls befriedigt, dass man auch heuer wieder in der Lage sei - dank entsprechender Fitneß - mit fortlaufender Spieldauer "einen Gang zuzulegen."
Der Vorjahresdritte VfB Stuttgart machte im ersten Bundesligaspiel nach dem Abschied von Mario Gomez lange Zeit ein starkes Spiel, und das obwohl die grade erst verpflichteten potentiellen Weltklassezugänge Aleks Hleb (aus Barcelona) und Pavel Progrebnjak (aus St. Petersburg) sicher noch Akklimationszeit brauchen. Markus Babbels Team agierte mit zwei effektiv und diszipliniert verteidigenden Viererketten, war schnell im Kopf und schnell auf den Beinen gegen die Stürmer der Wolfsburger - und kam vor allem mit dem von Wolfsburgs System nicht zu erfassenden Khedira mehrfach einem Treffer nahe. Einmal brauchte VfL-Keeper Diego Benaglio gar die Hilfe des Pfostens. Es lief gut, aber nur 70 Minuten lang. "Der beste Sturm der Vorsaison hat seine Klasse heute wieder unter Beweis gestellt", sagte ein geknickter VfB-Kapitän Thomas Hitzlsperger. "Je länger das Spiel lief, desto mehr hat man ihre Qualitäten gesehen."
Wie so oft, war Edin Dzeko der auffälligste Wolfsburger Angreifer, der sich mit einigen Tempodribblings durchsetzte, die meisten Schüsse von allen hatte (6), aber am starken VfB-Keeper Jens Lehmann scheiterte. Doch dann war es Misimovic, den ein eher unspektakulärer Querpass von Gentner durch Stellungsfehler der VfB-Abwehr in Schußposition brachte. Er legte einfach den Ball vom rechten auf den linken Fuß und drehte ihn zum 1:0 an Lehmann vorbei (71.). Und dann, sagte der Bosnier, "haben wir Weltklassestürmer, die die Tore auch reinmachen." Er meinte Grafite. Es dauerte 81 Minuten, bis er den richtigen Paß bekam (von Sascha Riether) und den entsprechenden Raum hatte, um seine Schnelligkeit und Dynamik auszuspielen, an Gegenspieler Tasci vorbeizubrettern und den Ball flach an Lehmann vorbei ins kurze Ecke zu schieben. Da war der VfB allerdings nur noch zu zehnt, weil Träsch mit Handbruch ausgeschieden war, Babbel aber bereits dreimal ausgetauscht hatte.
Thomas Hitzlsperger sagt zwar, es falle "schwer aus so einer Niederlage Positives zu ziehen." Doch ganz so düster ist es nicht: Stuttgart muss als Ligadritter übernächste Woche in die Champions League-Qualifikation und ist dafür dem ersten Anschein nach nicht schlecht gerüstet. Der VfL Wolfsburg muss nach Köln und hat danach als Gegner den HSV, Bayern, Leverkusen und Schalke. Und dann kommt Mitte September auch noch das erste Spiel in der Champions League. Erst dann wird man seriös spekulieren können, wohin der Weg führt.
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