: Endlich Licht im Schatten
Nach dem 2:0-Sieg gegen starke Ghanaer hoffen die „Azzurri“, den Manipulationsskandal in der italienischen Liga endlich vergessen und sich ganz aufs Fußballspielen konzentrieren zu können
AUS HANNOVER ANDREAS RÜTTENAUER
„Hinter den Spielern liegen 20 sehr schwierige Tage.“ Marcello Lippi war nach dem 2:0-Sieg der italienischen Nationalmannschaft gegen Ghana die Erleichterung anzumerken. Endlich durfte er nur über Fußball reden, endlich hatte das Turnier für seine Mannschaft begonnen. Der Trainer der Italiener freute sich über die ausgelassene Stimmung auf den Rängen, die Anfeuerungsrufe der gut 20.000 italienischen Fans im Stadion von Hannover und vor allem über den überzeugenden Auftritt seiner Mannschaft.
Es ist die erste WM, die Lippi als Trainer erlebt. Er will sie genießen. Denn um ein Haar wäre ihm dieses Erlebnis versagt geblieben. Nur weil die Staatsanwaltschaften in Italien keine handfesten Beweise dafür haben, dass der Nationaltrainer von den Manipulationen gewusst hat, die der ehemalige Manager von Juventus Turin, Luciano Moggi, organisiert haben soll, darf Lippi während der WM überhaupt seines Amtes walten. Sein Sohn Davide, der als Spielervermittler einen heißen Draht zu Moggi gepflegt hat, soll um die Bestechungspraktiken des Juve-Managements gewusst haben. Mehrmals wurde Lippi senior verhört. Ohne Ergebnis.
Im Quartier der Italiener wurde am Tag vor dem Spiel das erste Mal, seit sich die Mannschaft Mitte Mai versammelt hat, italienisches Fernsehen eingeschaltet. Die Spieler sollten sich vor ihrem Einstieg in die WM nicht zu sehr mit den Auswirkungen des Manipulationsskandals in der Serie A beschäftigen. Fünf Spieler von Juventus Turin stehen im Kader der italienischen Nationalmannschaft. Sie wissen derzeit nicht, wo sie in der kommenden Saison als Profi arbeiten werden. Im Falle des drohenden Zwangsabstiegs von Juventus in die zweite oder gar dritte Liga werden der ebenfalls schon zum Verhör bestellte Gianluigi Buffon, der bekennende Moggi-Fan Fabio Cannavaro, Alessandro Del Piero, Mauro Camoranesi und Gianluca Zambrotta den Club wohl verlassen.
Doch all das soll in diesen Tagen keine Rolle spielen. Der italienische Fußballverband (FIGC) verteilte vor dem Spiel eine Werbe-Broschüre über das Nationalteam. Im Geleitwort betont Guido Rossi, der kommissarische Präsident des FIGC, dass weder die Spieler noch die Betreuer des WM-Teams irgendetwas mit der „gegenwärtigen Krise“ des Fußballs in Italien zu tun hätten. Dazu gibt er den italienischen Spielern eine schwere Aufgabe mit auf den Weg: Sie sollen alles dafür tun, damit kein weiterer Schatten auf den Fußball fällt.
„Die Mannschaft wird Italien Ehre machen“, sagte Marcello Lippi nach dem Auftaktspiel seines Teams. Er hatte tatsächlich allen Grund, zufrieden zu sein. Immer wieder betonte er, wie sehr ihm die Offensive am Herzen liegt. Er verwies darauf, dass er in den letzten Jahren immer mit mindestens zwei Stürmern gespielt habe.
Am Montag liefen Alberto Gilardino und der mit 31 Toren in der abgelaufenen Saison in Italien überragende Torjäger, Luca Toni, als Spitzen auf. Die beiden könnten der Weltmeisterschaft eigentlich ihren Stempel aufdrücken, wenn sie nicht gar zu eigensinnig handeln würden – das gilt vor allem für Gilardino. Drei Mal versuchte er gegen Ghana selbst zum Torschuss zu kommen, anstatt seinen Sturmpartner zu bedienen. Dass schließlich andere die Tore erzielten – Andrea Pirlo (40.) und Vincenzo Iaquinta (83.) –, lag sicher auch an der Selbstbezogenheit im Spiel von Gilardino, der nach einer nicht gerade überragenden Saison beim AC Mailand ein wenig überehrgeizig wirkte.
Das dürfte auch Lippi gesehen haben, auch wenn er meinte, Gilardino und Toni seien gleich gut gewesen, „ohne Unterschied“. Er verwies darauf, dass es gelungen sei, die zwei immer wieder anzuspielen, wodurch seine Mannschaft zu jeder Menge Torchancen gekommen sei. Auch das gibt ihm Zuversicht für die nächsten Spiele gegen die USA und Tschechien.
Die zentrale Figur in Lippis System ist jedoch Andrea Pirlo. Er ist so etwas wie ein verteidigender Spielmacher. Ghanas wichtigster Antreiber, Stephen Appiah, hatte in Pirlo einen humorlosen Widerpart. Und auch dem ideenreichen, geschickten und schnellen Spiel Pirlos in der Offensive hatten die Ghanaer überhaupt nichts entgegenzusetzen. Dem Italiener konnte an diesem Abend keiner so recht folgen. „Ich bin mit meiner körperlichen Form sehr zufrieden“, freute sich der Mann, der Italien in diesen Wochen noch viel Ehre einbringen könnte.