■ Südafrikas schwarz-weiße Regierungskoalition zerbricht: Ende eines Experiments
Es war wohl nur eine Frage der Zeit. Schon als Südafrikas erste demokratisch legitimierte Regierung unter Präsident Nelson Mandela im Mai 1994 ihr Amt antrat, war die Beteiligung der ehemaligen Apartheidherren unter Frederik Willem de Klerk und auch der Zulu-Partei Inkatha ein Kuriosum. Es entsprach nicht dem Sieg des ANC bei den ersten freien Wahlen, sondern dem Zwang zum historischen Kompromiß zwischen Opfern und Tätern. Aber spätestens nach den nächsten Wahlen 1999, so wußten alle, würde Südafrikas schwarze Mehrheit alleine regieren.
Daß die schwarz-weiße Koalition nun nicht einmal die Annahme der neuen Verfassung Südafrikas übersteht, überrascht trotzdem. Das „neue Südafrika“ scheitert an seinem ersten Reifetest. Mit der Erarbeitung der neuen Verfassung erlebte das Land zum ersten Mal einen politischen Diskussionsprozeß, der nicht unter Bedingungen von Ausnahmezustand, Regimekollaps oder drohendem Bürgerkrieg stattfand. Zum ersten Mal ist Südafrika aus einem solchen Prozeß geschwächt hervorgegangen. Das ist bitter für all jene, denen weit über Südafrikas Grenzen hinaus der friedliche Umbruch am Kap Mut gemacht hatte.
Die Schuld daran trägt in erster Linie die einst für die Apartheid verantwortliche Nationalpartei. Mit ihrem Abgang zeigt sie die Grenzen – nicht nur ihrer eigenen Reform- und Versöhnungsbereitschaft, sondern auch die der südafrikanischen Weißen insgesamt. Sollte die weiße Elite sich nun tatsächlich wie ihre Partei aus dem Projekt des südafrikanischen Wiederaufbaus hinter die eigenen hohen Mauern zurückziehen, wären die Aussichten für ihre Zukunft düster.
Die Folgen des Koalitionsbruchs muß in erster Linie der ANC tragen. Nelson Mandelas Bewegung kann sich nun, wenn die jetzt wohl unvermeidlichen Krisenmonate überstanden sind, auf eine Alleinregierung einstellen – es ist kaum zu erwarten, daß Inkatha dem Schritt der Nationalpartei nicht auch bald folgt. Darauf aber ist der ANC nicht vorbereitet. Der ANC- interne Machtkampf zwischen den verschiedenen Enkeln Mandelas ist noch nicht entschieden, die versprochene Verbesserung der Lebensumstände der schwarzen Bevölkerung ist noch nicht sichtbar, die begonnene Versöhnung zwischen Tätern und ihren Opfern im Rahmen der Wahrheitskommission ist noch nicht abgeschlossen. Die Asche der Apartheid ist noch warm. Jederzeit können Funken überspringen und neue Konflikte entzünden. Dominic Johnson
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