Ende des Machtkampfs bei Unicef: Heide Simonis tritt als Chefin zurück
Der Vorstand war ihren Vorschlägen zur Rettung der Glaubwürdigkeit des Kinderhilfswerkes nicht gefolgt. Gegen den Geschäftsführer wird ermittelt.
KÖLN taz Während sich andernorts in Köln der Straßenkarneval seinem Höhepunkt zu schunkelt, herrscht am Höninger Weg bereits Katerstimmung. Hier residiert das Deutsche Komitee für Unicef - und bei dem gibt es derzeit nichts zu feiern. Nach langen Querelen um fragwürdige Geschäftspraktiken in dem Kinderhilfswerk hat die bisherige Vorsitzende Heide Simonis am Wochenende ihren Rücktritt erklärt - "um Unicef einen Neuanfang zu erleichtern", wie es in einer dürren Erklärung des Restvorstands heißt. Weil "eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Vorsitzenden und dem Vorstand unmöglich geworden" sei, so Simonis Begründung.
Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin zog damit die Konsequenzen aus dem Verlauf einer Krisensitzung der Unicef-Führung am Samstag. Simonis legte dort ein Eckpunktepapier für umfassende Reformen der Organisation vor, die dazu dienen sollten, die verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Wichtigster Punkt: "Unicef muss transparenter werden." Doch ihre Mitvorständler ließen sie auflaufen. Die Stimmung sei nicht gerade von Freundlichkeit geprägt gewesen, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Resigniert konstatierte Simonis nach der Sitzung: "Unsere Ansichten divergieren in unüberbrückbarer Weise." Das Ende eines Machtkampfs: Die 64-jährige Sozialdemokratin scheiterte an der Hausmacht des seit 1989 amtierenden Unicef-Geschäftsführers Dietrich Garlichs.
Es geht um Vorwürfe, die seit November vergangenen Jahres die deutsche Unicef-Sektion erschüttern. Damals berichtete die Frankfurter Rundschau das erste Mal über dubiose Beraterverträge und weitere finanzielle Ungereimtheiten, die die gemeinnützige Organisation Unsummen gekostet hätten. So vergütete Unicef die freie Weiterbeschäftigung eines in Rente gegangenen Mitarbeiters mit 300.000 Euro.
Seitdem sind immer neue Details an die Öffentlichkeit gelangt, die den Verdacht nahe legen, bei Unicef werde allzu freizügig mit Spendengeldern umgegangen. Beispielsweise wurde eine zwischen dem damaligen Lidl-Chef Stefan Rohrer und Garlichs vereinbarte Großspende von 500.000 Euro dem Projekt "Unicef-Kinderstadt Heilbronn" zugeordnet - mit der Folge, dass der völlig unbeteiligte dortige Fundraiser 30.000 Euro Provision erhielt. Denn nach dem mit Viktor L. "abgeschlossenen Vertrag, führten alle im Rahmen der Städtepartnerschaft Heilbronn eingenommenen Spenden (einschließlich der Zuwendung der Firma Lidl) zu einem Honoraranspruch", heißt es dazu lapidar in einem Unicef-Schreiben, das der taz vorliegt.
Inzwischen ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft wegen Untreue gegen Geschäftsführer Garlichs. Weitere Folge war ein heftiger Einbruch im wichtigen Weihnachtsgeschäft: Im Dezember 2007 nahm Unicef Deutschland laut interner Quellen 3,5 Millionen Euro weniger als erwartet ein.
Geschäftsführung und Vorstand weisen alle Vorwürfe zurück. Dabei berufen sie sich auch auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG von Mitte Januar. "Es gab keine Verschwendung von Geldern, keine Unregelmäßigkeiten oder gar Satzungs- oder Gesetzesverstöße", so die Interpretation von Unicef. Doch ganz so glorreich fiel das Gutachten nicht aus: "In vier der fünf von uns untersuchten Sachverhalte wurden Verstöße gegen bestehende Regeln der Vergabe, Durchführung und Kontrolle von Transaktionen festgestellt, die dem Bereich der Ordnungsmäßigkeit zuzuordnen sind", heißt es dort. Eine schallende Ohrfeige für Geschäftsführer Garlichs. Trotzdem sprach der Vorstand ihm einstimmig das Vertrauen aus. Auch Simonis schloss sich trotz erheblicher Bauchschmerzen dem Votum an. Nun hat sie für sich einen Schlussstrich gezogen. Die Unicef-Krise allerdings schwelt weiter.
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