: Empörung in der Schlucht
Ronaldinho sieht eine rote Karte und sein FC Barcelona scheidet aus dem spanischen Fußball-Pokal aus
BARCELONA taz ■ Es ist der Moment, wenn zehntausende Münder sich öffnen, aber keinen Ton herausbringen. Der kurze Augenblick der entgeisterten Stille, bevor sich im Stadion Camp Nou, dieser steilen Schlucht, das entrüstete Geschrei von 56.000 Zuschauern erhebt. Ronaldinho lächelt auch in diesem Moment kindlich. Dann erst beginnt er zu begreifen. Ronaldinho, der weltbeste Fußballer, schreit die rote Karte an, die vor ihm in der Nacht leuchtet: „Ich gehe nicht!“ Und tatsächlich, die Mitspieler müssen ihn vom Platz schieben.
Wer den FC Barcelona dieses Jahr besucht, weiß, er muss auf alles gefasst sein, denn diese Elf schafft Wunder – aber darauf war dann doch niemand vorbereitet: eine rote Karte für Ronaldinho. Es war eine merkwürdige Entscheidung von Schiedsrichter Julián Rodríguez am Mittwoch in der 38. Minute des Viertelfinales im spanischen Königspokal zwischen Barça und Real Saragossa aufführte. Der Rest der Welt hatte gesehen, wie Ronaldinho mit dem Fuß den Ball knapp verfehlte und stattdessen das Bein von Saragossas Kapitän Cani streifte. Der Schiedsrichter erkannte eine Tätlichkeit. Statt des gewohnten Spektakels gab es nur dieses zweitklassige Drama im Camp Nou. Barça, das gerade dabei war, alle Rekorde zu brechen, bis Mitte Januar 18 Siege, 50:8 Tore, in Serie hingelegt hatte und die spanische Liga mit zwölf Punkten Vorsprung anführt, gewann zwar auch dieses Spiel durch Tore von Messi und Larsson zu zehnt 2:1. Doch nach dem 2:4 im Hinspiel in Saragossa – der einzigen Niederlage seit September – war die heißeste Elf der Gegenwart ausgeschieden. War es nur einer dieser Tage oder der Wendepunkt zum Schlechten?
Das Ausscheiden an sich ist bedauernswert – und nicht mehr. Vergangenes Jahr verloren sie im Königspokal gar gegen Gramanet, einen Drittligisten, und am Ende der Saison, als sie spanischer Meister wurden, war es vergessen. Bloß, im Detail offenbarten sich nun Makel: Die ungeheuerliche Schnelligkeit und Genauigkeit in ihrem Passspiel ist in den letzten Wochen ein wenig verloren gegangen, vor allem aber wird vermisst, was sie in November- und Dezembertagen schier außerirdisch machte: ihr intuitives Verständnis. Bälle wurden blind mit dem Hinterkopf verlängert, Pässe ohne aufzusehen steil gespielt, und immer war einer an der richtigen Stelle, sie aufzunehmen. Es war der Geist Ronaldinhos, der sie führte. An diesem Pokalabend wurde dieser Geist des Feldes verwiesen.
RONALD RENG