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Emotionsgeladene Wortgefechte

■ betr.: „Die Gegenwart der Ver gangenheit“, taz vom 18. 1. 96

Ihnen ist in Ihrem Artikel ein sachlicher Fehler unterlaufen, den ich hiermit richtigstellen möchte.

Ich habe mich nicht „mittlerweile“ bei Frau Wiens entschuldigt, sondern die Formulierung „Tod am Schuld eines Menschen“ sofort auf der Betriebsratsversammlung korrigiert und mich sofort vor der Belegschaft bei Frau Wiens für diese Formulierung entschuldigt, wie auch aus dem Gedächtnisprotokoll des Betriebsrates hervorgeht. Diese falsche Darstellung hat wahrscheinlich ihre Ursache darin, daß ich mich auf der Presseversammlung noch einmal dafür bei Frau Wiens entschuldigt habe.

Außerdem frage ich Sie, was Sie dazu veranlaßt hat, die seltsame Formulierung zu verwenden, „vielleicht auch unberechenbare Mitarbeiterin auf der anderen Seite“? Was finden Sie an mir unberechenbar? Barbara Fuchs

Die Unterzeile der Überschrift lautet: „Weil sie auf die Stasi-Mitarbeit einer Kollegin aufmerksam machte, wurde der Sozialarbeiterin Barbara Fuchs gekündigt. Ihre Unterstützer fordern nun ein Berufsverbot für die ehemalige Stasi- Frau.“ Einen klaren Beleg für diese Behauptung finde ich im Artikel allerdings nicht. Auch ich habe die Unterstützungserklärung für Frau Fuchs unterzeichnet. Hier der Text, den Sie Ihren Lesern nun nicht vorenthalten sollten:

Unterschriftensammlung

Am 19. 12. 95 wurde Frau Barbara Fuchs, Projektleiterin für Jugendarbeit in der Jugendeinrichtung „Drei Eck“, Malmöer Str. 27, Prenzlauer Berg, wegen „Störung des Betriebsfriedens“ durch die Geschäftsführerin Evelyne Lämmer und die Vorstandsvorsitzende des Kulturvereins Prenzlauer Berg e.V., Frau Hannelore Sigbjoernsen, gekündigt, weil sie auf einer Betriebsversammlung die Abwahl der ehemaligen IM Maja Wiens aus dem Betriebsrat forderte.

Mit meiner Unterschrift protestiere ich gegen diese Kündigung und fordere die sofortige Wiedereinstellung von Frau Fuchs.

Wo, bitte schön, ist hier von einem Berufsverbot oder auch nur von einer Entlassung beziehungsweise Nichtweiterbeschäftigung der vom Stasi-Offizier Peter Reise „geführten“ ehemaligen IM „Marion“ Maja Wiens, die Rede?

1. Barbara Fuchs muß in ihren alten arbeitsrechtlichen Stand zurückversetzt werden. Auch wenn es die Leitung des Kulturvereins Prenzlauer Berg nach eigenem Bekunden „nicht interessiert“, was jemand in der Vergangenheit gemacht hat, ist das noch lange kein Grund, jemanden, der das zu thematisieren versucht, vor die Tür zu setzen. Frau Fuchs hat sich erst an die Öffentlichkeit gewandt, als letzteres geschah. Ihr offener Brief datiert vom 30. 12. 1995.

2. Wenn eine Arbeitnehmervertretung, wie sie der Betriebsrat darstellen sollte, im Stile von FDGB-Funktionären reagiert (Weiterleitung des an ihn gerichteten Schreibens von Frau Fuchs an die Geschäftsführung) und, wie auf der Kulturverein-Pressekonferenz bestätigt, Frau Fuchs auf der Mitarbeiterversammlung in ihren Ausführungen abrupt unterbrochen wird, ist die Vergangenheit mit Sicherheit gegenwärtig.

3. Maja Wiens wird bezüglich ihrer IM-Tätigkeit zitiert: „Aber ich habe mich damit auseinandergesetzt.“ Mag ja sein, daß sie sich an der Brust ihres Führungsoffiziers Peter Reise ausgeweint hat – bei Herrn Simon oder Herrn Kunze oder Bettina Wegner, die von ihr bespitzelt und verraten wurden, hat sie bisher nicht um ein klärendes Gespräch angeklopft. Das sind gewiß keine Leute, die sie „erst kurz kennt“. Von diesen gibt es sicherlich noch mehr. Ob sie 1981, 1983, 1989 die MfS-Zusammenarbeit aufgekündigt hat oder ? ist dafür unwesentlich. Gerold Hildebrand

Diese Pressekonferenz am 17.1. war gekennzeichnet von vielen Turbulenzen. Gewiß, es war schwierig, aber nicht unmöglich, aus den teilweise emotionsgeladenen Wortgefechten eine faire Berichterstattung zu leisten. Keinerlei Verständnis habe ich deshalb für die diskriminierende Behauptung von Uwe Rada: „...um etwas ganz anderes geht es allerdings einigen der Unterstützer“. Gemeint ist, es wäre uns nicht um die Wiedereinstellung der Frau Fuchs gegangen, sondern nur darum, ein „Berufsverbot“ für die ehemalige Stasi-Frau zu fordern. Das ist unwahr!

Wahr ist vielmehr, daß nach bohrenden Fragen einer Teilnehmerin der Pressekonferenz, vom eigentlichen Thema weg, Bettina Wegner regelrecht genötigt wurde, ihre persönliche Meinung zum Umgang mit Stasi-Tätern zu offenbaren. Dies sollte Bettina Wegner wohl erlaubt sein, ohne sich und uns andere in die Analogie der Berufsverbotsbefürworter stellen zu lassen.

Berufsverbote in der BRD und der DDR wurden Menschen mit einer anderen Meinung zum herrschenden System erteilt. Stasi-Mitarbeiter und der größte Teil der IMs haben nicht eben nur gedacht oder gemeint, sondern getan, und zwar denunziert, Vertrauen erschlichen, verraten, anderer Menschen Würde verletzt, und nicht selten sorgten sie für Haftstrafen und Zerstörung von Menschen. Erkennt Uwe Rada nicht diesen Unterschied?

[...] Übrigens: Frau Wiens arbeitet pädagogisch in einem Jugendprojekt. Die Beantragung für sie durch den Verein auf eine regelgeförderte Stelle wird vom Bezirksamt Prenzlauer Berg bestätigt. Frau Wiens hat keine pädagogische Ausbildung. Ihr erlernter Beruf ist Facharbeiterin für Statistik. Sie hat zwei Jahre Ökonomie studiert. Nachzulesen im Klappentext ihres veröffentlichten Romans.

Jetzt ist Frau Wiens Schriftstellerin. Warum sollte sie dabei nicht bleiben? Claudia Wegner

1. Herr Rada hat etwas gehört, was nicht gesagt bzw. gefordert worden ist. Kein Mensch hat für „die ehemalige Stasi-Frau Berufsverbot gefordert“. Berufsverbote will niemand, klingt aber gut in der Überschrift, oder warum steht's so zu lesen?

2. Beteiligte haben andere Erinnerungen an den Vorfall an der Pankower Carl-von-Ossietzky-Schule. Frau Wiens wollte gerade nicht, daß dieser Skandal öffentlich wurde. Jedenfalls argumentierte sie damals, daß sie „im stillen“ mehr erreichen könne.

3. Es ist überhaupt nicht entschieden, ob Frau Wiens bald arbeitslos ist, denn sie ist eine der Kolleginnen, die von der Geschäftsführerin Frau Lämmer, also vom Kulturverein Prenzlauer Berg, für eine regelgeförderte Stelle beim Bezirksamt P.B. vorgeschlagen wurde. Bettina Wegner

Es gibt noch gute Journalisten – welch ein Trost! Brigitte Struzyk

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